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14.01.2020 / Knud Wassermann

Die Digitalisierung schafft auch Raum für Neues – zum Beispiel für Indie-Mags


Digitalaffine junge Leute manifestieren ihr kreatives Potenzial unter anderen auch in gedruckten Magazinen. Vollkommen unabhängig von traditionellen Verlagen ist eine agile Community entstanden, die mit ihren inhaltlichen und gestalterischen Konzepten überzeugt.

Die letzten Jahre hatten es gerade für Unternehmen mit verlegerischer Herkunft in sich – das Internet hat das über Jahrzehnte eingespieltes Geschäftsmodell zwischen Anzeigen- und Vertriebserlösen ordentlich durchgerüttelt. Durch ihre Online-Aktivitäten konnten die Verleger die wegbrechenden Umsätze nur teilweise kompensieren. Die Internetgiganten, allen voran Google, schöpfen den Grossteil der Werbeausgaben im Internet für sich ab. Schätzungsweise 60 Prozent der gesamten Werbeerlöse im Internet kann Google für sich verbuchen.
    
Die Digitalisierung verändert Bestehendes radikal und stellt es teilweise auch komplett infrage. Gleichzeitig schafft sie aber Raum für Neues – das wird etwa im Magazinsektor durch sogenannte «Indie Mags» sichtbar. Dahinter verbergen sich Zeitschriften, die vollkommen unabhängig von etablierten Verlagen erscheinen. 

Das Ausleben der kreativen Ideen
Die Macher sind Grossteils jung und digitalaffin und sehen in gedruckten Magazinen einen Ausgleich zum digitalen Overkill. Hier geht es aber nicht ums grosse Geldverdienen, sondern viel mehr um das Ausleben kreativer Ideen und deren Umsetzung in die haptische Welt des Papiers. Gerade die Digitalisierung einzelner Produktionsschritte in der Druckindustrie hat die Entwicklung angeheizt und ermöglicht es heute, Magazine zu überschaubaren Kosten auf den Markt zu bringen. 

Moderne Publishing-Tools schaffen in Kombination mit dem Internet neue Formen der Zusammenarbeit und heben geografische Grenzen auf. Der Digitaldruck unterstützt diese Entwicklung durch eine wirtschaftliche Produktion von Kleinauflagen – und sogar Personalisierungen rücken in den Bereich des Machbaren. Das Auflagenspektrum reicht von einigen Hundert bis zu mehreren 10'000 Exemplaren. Einige Magazine wie beispielsweise «thegentlewoman» oder «Fantastic Man» knacken sogar die Hunderttausender-Grenze.




Indie-Mags werden über eigene Plattformen unters Volk gebracht.


Social-Media kurbelt den Verkauf an
Unters Volk gebracht werden die Indie Mags über eigene Plattformen – einen guten Überblick über die deutsche Szene kann man sich etwa auf der Homepage indiemags verschaffen. Im angelsächsischen Raum ist «Stack» mit seiner Onlineplattform stackmagazines sehr aktiv. Wer sich jeden Monat mit einem anderen Magazin befassen möchte, kann sich etwa bei «Stack» im Rahmen eines monatlichen Abos überraschen lassen.

Für das Bekanntmachen der Magazine kommen Social-Media-Kanäle und hier vor allem Instagram zum Einsatz, um auf diesem Weg die Designqualität zu unterstreichen und den internationalen Verkauf anzukurbeln. Das Lifestylemagazin «Kinfolk» bringt es allein auf Instagram aktuell auf 1,4 Millionen Follower. Der britischen Reise- und Designzeitschrift «Cereal» folgen 1 Million Menschen. 

In den kreativen Hotspots dieser Welt wie Barcelona, London, New York und Berlin haben sich agile Communities entwickelt, die voller Tatendrang stecken. Das Angebot und der Markt sind unübersichtlich und ständig in Bewegung – Zahlen liegen dazu leider keine vor. Das mag auch daran liegen, dass die Indie-Mag-Community sich noch nicht verbandsmässig organisiert hat.

Geschichten hinter den Bildern
Wobei es der Szene nicht an öffentlicher Aufmerksamkeit mangelt. So ist etwa die Indiecon-Messe in Hamburg die zentrale Anlaufstelle für Independent-Magazin-Fans in Deutschland. 4000 Besucher verschafften sich einen Überblick darüber, was die Aussteller – 95 an der Zahl aus 22 Ländern – zu bieten haben. «Die Publisher wollen häufig gar nicht, dass ihr Magazin zur Haupteinnahmequelle wird, damit sie sich ihre Unabhängigkeit bewahren können», sagt Malte Brenneisen, selbst Herausgeber und Mitgründer des Independent-Publishing-Festivals «Indiecon» in Hamburg. 

An drei Tagen wurden auf der Indiecon schlaue, schicke, schrille und vor allem unkonventionelle Arbeiten präsentiert. Unabhängig bedeutet hier, dass Publisher auch die Chefs der Magazine und deshalb inhaltlich und finanziell voll verantwortlich sind. In diesem Jahr zählte zu den Ausstellern unter anderem ein Wiener Kollektiv, welches das Magazin «Auslöser» veröffentlicht – ein bilinguales Magazin (Deutsch und Englisch) für Fotografen und Fotografie-Fans, das sich vor allem auf die Geschichten hinter den Bildern fokussiert. Die erste Ausgabe ist im vergangenen März erschienen und kann für rund 20 Euro erworben werden. 




Die Independent-Macher sind Grossteils jung und digitalaffin und sehen in gedruckten Magazinen einen Ausgleich zum digitalen Overkill.

Copypreis wichtigste Erlösquelle
Der hohe Copypreis ist für die Independent-Magazine nichts Aussergewöhnliches. Aufgrund der oftmals aufwändigen Druckverfahren, teilweise in Kombination mit verschiedenen Papiersorten, sind die hohen Verkaufspreise zur Deckung der Herstellkosten zwingend erforderlich. Die Vertriebserlöse sind die mit Abstand wichtigste und oftmals auch die einzige Erlösquelle für die Magazin-Macher. 

Der durchschnittliche Verkaufspreis liegt laut einer Analyse des Büros Bardohn aus dem Jahr 2019 bei durchschnittlich 16,28 Euro. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Durchschnittswert bei Publikumszeitschriften bei 4,32 Euro. Mittlerweile hat auch die Frankfurter Buchmesse den Trend erkannt und hat für die Independent-Magazine die Indiecon Island eingerichtet, die ein wahrhaftiger Besuchermagnet war.

Das englische Magazin «Monocle» ist ein Überflieger
Auch London ist ein gutes Pflaster für die Independent-Szene. Hier hat sich eine Community gebildet, die das Thema mit Events, Konferenzen und eigenen Plattformen hegt und pflegt. Zu den Überfliegern gehört das Magazin «Monocle». 2007 gegründet, ist es schon längst der Independent-Szene entwachsen. Das Magazin, das aktuell in einer Auflage von 84'000 Exemplaren erscheint, wovon 20'000 Stück im Abonnement bezogen werden, wurde zu einer internationalen Medienmarke ausgebaut, hinter der weit mehr als nur eine Zeitschrift steht – ein täglicher E-Mail-Newsletter über Podcasts und Videos sowie Reiseführer bis hin zu einer Konferenz runden das Programm ab. 

Ein typisches Beispiel dafür, dass die Indie-Mags-Szene auch als Inkubator für den Magazin-Markt funktionieren kann.



Ihr
Knud Wassermann, Chefredaktor «Graphische Revue»