• Home
  • Newsroom
  • Blog
  • Ein innovatives Geschäftsmodell haucht der Postkarte neues Leben ein
11.06.2019 / Knud Wassermann

Ein innovatives Geschäftsmodell haucht der Postkarte neues Leben ein

Es dauert gar nicht mehr lange und dann stehen schon wieder die Sommerferien vor der Tür. Koffer packen und ab durch die Mitte! Ans Meer, in die Berge, ganz egal wohin – einfach nur abschalten. Und wenn der Stressabbau langsam, aber sicher einsetzt, streift einen der Gedanke, dass man vielleicht doch eine Postkarte an seine Lieben schreiben sollte. 

Doch Hand aufs Herz: Wann haben Sie die letzte Postkarte in den Briefkasten geworfen? Ich muss gestehen: schon lange nicht mehr. Postkarten werden zwar gekauft, schaffen es aber trotzdem nicht immer bis zum Empfänger. Die dazwischenliegenden Hürden – Schreiben, Briefmarken, Briefkasten – scheinen zu gross zu sein. Aber auch die Motive reissen vor allem jüngere Generationen nicht gerade vom Hocker. Sie wollen – wennschon, dennschon – Postkarten mit ihren eigenen Bildern verschicken.

Im Sommer 2013 fotografierte Oliver Kray am Strand, als ihm die Idee kam, Fotos vom Handy analog als Postkarte zu verschicken. Nach kurzer Recherche stellte er fest, dass einige Unternehmen diesen Service bereits anboten. Aber die erschienen ihm einfach zu kompliziert in der Benutzerführung. Kray beschloss, es besser zu machen – und gründete mypostcard.com. Die Idee, digitale Fotos als echte Postkarte weltweit zu versenden, war geboren.
Auf über 500 000 Smartphones installiert

Inzwischen ist das 2014 gegründete Unternehmen MyPostcard weltweit aktiv und durchaus erfolgreich. Aber weniger mit dem Drucken selbst (das überlässt man gerne Druckdienstleistern), sondern mit seinem App-to-Print-Dienst. Die App ist mittlerweile auf über 500 000 Smartphones installiert. Man kann den Service aber auch über einen Internet-Browser in Anspruch nehmen. Den Schwerpunkt legt das Unternehmen auf personalisierte Urlaubs- und Grusskarten. In der App- und Web-Version finden sich mehrere Tausend fertige Designs, Motive und Elemente, die solo oder in Kombination mit dem eigenen Bildmaterial genutzt werden können.

User können ihre gewünschten Bilder schnell und unkompliziert aus ihrem Instagram-Feed oder Fotoalbum hochladen, das gewünschte Layout auswählen und die Karte mit ihrem ganz persönlichen Text versehen. Für 1,99 Euro pro Postkarte druckt und versendet MyPostcard die individuellen Unikate innerhalb von 24 Stunden in die ganze Welt. Allein in Deutschland werden jährlich immer noch rund 220 Millionen Postkarten verschickt – in den USA sogar knapp 800 Millionen. Der Markt ist also da, MyPostcard hat nur einen anderen und vor allem einen zeitgemässen Zugang gefunden.

Der Umsatz hat sich von 2016 auf 2017 auf etwa 4 Mio. Euro verdoppelt, und 2018 konnte man ein Wachstum von über 30 Prozent verbuchen. Dabei hat Oliver Kray jedoch relativ schnell erkannt, dass es nicht immer nur um das Produkt und die Technik geht, sondern vielmehr um das Verständnis, wie man Kunden gewinnen und sie für die Lösung begeistern kann, um rasch in die Gewinnzone zu kommen.

Erfolgsgeschichten schreiben
Das Beispiel aus der Start-up-Szene zeigt, dass man durch die Verknüpfung von Digital und Analog auch bereits etwas angestaubten Produkten neues Leben einhauchen kann und so Erfolgsgeschichten schreiben kann. Schade ist, dass solche Geschäftsmodelle meistens ausserhalb der Druckindustrie entstehen. Die Druckbranche ist noch zu sehr in der Technik verhaftet und denkt nicht in Geschäftsmodellen. Keine Frage, Technik ist wichtig, vor allem vernetzte Technik – aber sie ist eben nur ein Mittel zum Zweck. 

Vielleicht sollte man einfach einmal ein Start-up-Event besuchen und sich von dem Spirit anstecken lassen. Wichtig ist, dass man die Start-up-Szene versteht und weiss, wie sie tickt. Und vielleicht trifft man bei einem solchen Anlass einen Partner, mit dem man eine neue Geschäftsidee an den Start bringen kann. Alleine wird man so ein Projekt wahrscheinlich ohnehin nicht stemmen können – das bezieht sich nicht nur auf das Geld, sondern vor allem auch auf das Know-how.

Klar kann man bei solchen Unterfangen auch scheitern, aber das ist besser, als nichts zu tun. Vor lauter Angst vor Veränderung in Schockstarre zu verfallen, bringt einen nicht weiter. Wer stehen bleibt, hat schon verloren. Deshalb gilt einmal mehr das Motto «Wer nicht bereit ist, den Wandel mitzugehen, wird Teil des Wandels sein.» 

Gefragt sind Mut, Tatendrang, Hartnäckigkeit und eine ordentliche Portion an Ausdauer – um sein Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.
Ihr
Knud Wassermann, Chefredaktor «Graphische Revue»