24.10.2022 / Jérôme Chariatte

Warum braucht es noch einen Corporate Blog?

Braucht es in Zeiten von Social Media überhaupt noch Corporate Blogs? Jérôme Chariatte, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Departement für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Fribourg erklärt, welch wichtigen Beitrag sie zu einer ausgewogenen Unternehmenskommunikation leisten.
 
Ob ich mich nun für politische Initiativen, Abenteuerreisen oder vegane Küche interessiere: Zu jedem Thema gibt es heutzutage einen Blog. Tatsächlich ist die Anzahl der Blogs in den letzten Jahren stark gestiegen. Während sie letztes Jahr noch auf über 500 Millionen geschätzt wurde, geht man heute bereits von weltweit mehr als 600 Millionen Blogs aus1/2. Auch immer mehr Unternehmen nutzen sogenannte Corporate Blogs. Doch wozu dienen diese Unternehmensblogs? Warum soll ich mir als Unternehmen die Mühe machen, einen Blog zu bewirtschaften?
 
Die Frage ist berechtigt, denn einen Blog zu unterhalten, ist sehr aufwendig. Als Blog versteht man eine Website, auf der – in umgekehrter chronologischer Reihenfolge – regelmässig Beiträge zu einem bestimmten Thema publiziert werden und die oftmals Interaktionsmöglichkeiten mit den Website-Besuchern ermöglicht3. Dies erfordert hohe personelle und finanzielle Ressourcen. Unternehmen müssen beispielsweise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder externe Autoren für das Verfassen von aktuellen Beiträgen beauftragen. Dazu kommt, dass das Unternehmen sicherstellen muss, dass die veröffentlichten Beiträge auch kohärent mit der Unternehmenskommunikation sind.
 
Hier sehe ich das Potenzial von Unternehmensblogs: Blogs sind ein effizientes Mittel der Unternehmenskommunikation. Die Kommunikationsziele von Unternehmen können zwar sehr unterschiedlich sein und die Ausrichtung und Gestaltung von Blogs variiert abhängig von der Branche stark. Doch Blogs sind vor allem für die Selbstvermarktung des Unternehmens und für die Beziehungspflege zu Kunden nützlich.
 
Mehr Aufmerksamkeit
Blogs bringen Unternehmen Aufmerksamkeit und bieten eine neue Plattform zur Selbstpräsentation. Die Führung eines Unternehmensblogs erhöht beispielsweise die Sichtbarkeit des Unternehmens online, was Unternehmen im Ranking von Suchmaschinen wie Google nach vorne bringt. Durch das Publizieren von Fachbeiträgen auf einem Corporate Blog kann sich ein Unternehmen als Experte positionieren und das Unternehmensimage selbst gestalten. Dies ist in der heutigen globalisierten und digitalisierten Welt, in der das Image eines Unternehmens durch zahlreiche externe Informationsquellen (zum Beispiel Print- und Online-Zeitungen, Fachzeitschriften, Social Media) geformt wird, enorm wichtig.
 
Natürlich dient die Website eines Unternehmens ebenfalls zur Selbstpräsentation, jedoch lässt sich mithilfe eines Blogs ein viel differenzierteres und menschlicheres Unternehmensprofil aufbauen, unter anderem durch Storytelling. Storytelling ist eine Kommunikationsstrategie, die sich auf das Geschichtenerzählen bezieht. Ursprünglich wurden Blogs hauptsächlich von privaten Nutzern wie ein digitales Tagebuch genutzt, um ihre Interessen und Meinungen mitzuteilen. Heute handhaben es Unternehmen gleich und besprechen Themen, die sie interessieren oder berichten über ihre Tätigkeiten (wie zum Beispiel soziales Engagement).
 
Oft werden dabei die Beiträge von Mitarbeitenden geschrieben, was die menschliche Seite des Unternehmens hervorhebt, und es dadurch nahbarer macht. Dies ist heute besonders wichtig, da durch digitale Entwicklungen wie Social Media ein Trend zu Personalisierung in der Unternehmenskommunikation zu beobachten ist.
 
Für interne und externe Beziehungspflege
Blogs basieren wie Social Media auf den Technologien des Web.2.0., das sich – anders als statische Websites – durch Interaktionsmöglichkeiten auszeichnet. Diese Interaktion kann sowohl zur internen als auch zur externen Kommunikation von Unternehmen genutzt werden. Auf der internen Ebene setzen Unternehmen Blogs (beispielsweise auf dem Intranet) für die Mitarbeiterkommunikation ein. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können hier Erfahrungen austauschen und Diskussionen anregen, und so das Unternehmen mitgestalten. Dies kann auch das Zugehörigkeitsgefühl der Beschäftigten zum Unternehmen fördern.
 
Auf der externen Ebene dienen Blogs dem Dialog mit Kunden und externen Stakeholdern. So haben verschiedene Blogs Kommentarfunktionen, was interessierten Lesern beispielsweise ermöglicht, das Gelesene zu kommentieren und mit dem Unternehmen ins Gespräch zu kommen. Dies bringt verschiedene Vorteile für Unternehmen mit sich. Sie erfahren, was die Klientel interessiert und können sich gegebenenfalls anpassen oder frühzeitig Unzufriedenheit, Probleme und drohende Krisen erkennen.
 
Zusätzlich ermöglichen Unternehmensblogs den Aufbau einer Community, die für Unternehmen sehr wertvoll sein kann. Eine Community besteht aus gleichgesinnten Personen, die sich für ein gleiches Thema oder eben Unternehmen begeistern. Community-Mitglieder sind oft sehr engagierte Personen, die nicht nur den Blog lesen und sich austauschen, sondern auch ausserhalb des Blogs für das Unternehmen werben können. Zum Beispiel werden Blogeinträge von den Community-Mitgliedern über soziale Netzwerke geteilt.
 
Noch relevant?
Bezüglich sozialer Netzwerke: Sind denn Blogs in Zeiten von Facebook, Instagram und Twitter für die Beziehungspflege und den Markenaufbau noch relevant? In vielen Branchen spielt sich die Interaktion mit relevanten Stakeholdern inzwischen vor allem auf Social Media ab. Jedoch sehe ich bei der Kommunikation über Blogs einen grossen Vorteil. Unternehmen sind auf Blogs nicht an die Vorgaben grosser Tech-Unternehmen gebunden (zum Beispiel die Beitragslänge bei Twitter). Besonders für das Storytelling, in dem Themen und Geschichten ausführlich behandelt werden sollen, eignet sich ein Blog meiner Meinung nach besser.
 
Ausserdem verändert sich die Relevanz sozialer Netzwerke mit der Zeit. Was passiert beispielsweise, wenn ein Unternehmen seine ganze Online-Präsenz auf Facebook aufbaut, dieses aber nach ein paar Jahren nicht mehr genutzt würde und andere soziale Netzwerke beliebter würden? Mit der Pflege eines Blogs ist und bleibt man unabhängig.
 
Ihr
Jérôme Chariatte,
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Departement für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Fribourg
 
 
Literatur:
  1. Webtribunal (2022, April 6). How many blogs are there? We count them all! https://webtribunal.net/blog/how-many-blogs/
  2. Ertem-Eray, T., & Ki, Eyung-Jung (2022). Relational cultivation strategies and community building on Fortune 500 company corporate blogs. Corporate Communication. An International Journal, 27(1), 188-203. https://doi.org/10.1108/CCIJ-12-2020-0163
  3. Fleck, M.; Kirchhoff, L.; Meckel, M. & Stanoevska-Slabeva, K. (2007). Applications of Corporate Blogs in Corporate Communication. Studies in Communication Science, 7(2), 227-245.
24.10.2022 Jérôme Chariatte Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Departement für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Fribourg