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08.12.2020 / Marina Bucher

«Unser Unternehmen ist ein ausgezeichnetes Beispiel für einen harmonischen Generationenwechsel»

Der Generationenwechsel in einem Familienunternehmen ist nicht selten eine knifflige Sache. Wie man es richtig macht, beweist die Schär Druckverarbeitung AG in Wikon im Schweizer Kanton Luzern. Vater Paul Bucher übergab die Geschäftsleitung geordnet an seine Tochter Marina und an seinen Sohn Yannick. Im folgenden Blog erzählt die vor ein paar Monaten erstmals Mutter gewordene Marina Bucher (30), wie sie die Firma auf Erfolgskurs halten will, welche negativen Auswirkungen die Corona-Krise hat und warum sie für die grafische Industrie trotzdem positiv in die Zukunft blickt.
 
Eigentlich wollte ich ja Profifussballerin werden. Aber mir war stets klar, dass dies schwierig werden dürfte. Trotzdem hat der Fussball bis heute einen wichtigen Stellenwert in meinem Leben. Nachdem ich 20 Jahre als Flügelstürmerin und Libero beim SC Nebikon gespielt habe, bin ich nun als Aktuarin im Vereinsvorstand und verantwortlich für zwei Damenteams.
 
Bezüglich Fussball haben sich meine Kindheitsträume leider nicht erfüllt, und es hat nur für eine untere Spielklasse gereicht. Dafür spiele ich jetzt mit unserer Firma in der obersten Liga der Schweizer Weiterverarbeitungsbetriebe mit. Dass ich eines Tages in unser Familienunternehmen einsteigen würde, war allerdings alles andere als vorgegeben. Denn mein Weg in die Geschäftsleitung der Schär Druckverarbeitung AG erfolgte nicht nach einem festgelegten Karriereplan, sondern über Umwege.
 
Inspiration in Australien
Weil eine grafische Berufsausbildung für mich kein Thema war, absolvierte ich eine Lehre als Detailhandelsfachfrau Sport. Allerdings wusste ich danach nicht so recht, wie es weitergehen sollte. Der erlernte Beruf gefiel mir nicht wirklich. Kam dazu, dass mein Vater 2007, mitten in meiner Lehrzeit, die Firma von Kurt Schär übernahm und ich so einen Einblick in eine komplett neue Berufswelt gewann.
 
Um mir Gedanken über meinen weiteren beruflichen Werdegang zu machen, ging ich nach meiner Lehre für knapp sieben Monate nach Australien. Dort lernte ich einerseits die englische Sprache. Andererseits wurde ich auf dieser langen und weiten Reise selbstständiger und bewusster in meinem Handeln. Noch während meines Australien-Trips beschloss ich deshalb, nach meiner Rückkehr eine Art Praktikum im Betrieb meines Vaters zu absolvieren. Ich verschaffte mir einen Einblick in alle Abteilungen und begeisterte mich immer mehr für die Büroarbeiten.
 
Nach gut einem halben Jahr entschied ich mich nach Rücksprache mit meiner Familie für den Einstieg in die Firma. Bevor ich jedoch die Tätigkeiten im Büro erlernen durfte, musste ich rund zwei Jahre im Betrieb arbeiten. Ich wurde an allen Maschinen eingesetzt und lernte so das breitfächerige Angebot unseres Unternehmens kennen.
 
Der Vater als Vorbild
Von da an war klar, dass ich eines Tages in die Fusstapfen meines Vaters treten würde, und ich richtete meine Weiterbildungen zur Marketing- und Verkaufsleiterin sowie zur Führungsfachfrau konsequent darauf aus. Mein Vater war und ist mir stets ein Vorbild. Seine Ziele waren schon immer sehr hoch gesteckt. Seit klein auf begeistert mich seine Willenskraft, etwas durchzustehen und es sich und andern zu beweisen, gleichzeitig aber auch Unterstützung anzunehmen, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren.
 
Zum Einstig in die Firma hat er uns nie gedrängt, und letztlich kam der Entscheid, in die Firma einzutreten, denn auch von mir aus. Doch mit seinem Mut, Unmögliches möglich zu machen, motiviert mich mein Vater seit vielen Jahren. Ein klarer Beweis von seinem Glauben an die Zukunft unseres Unternehmens und an die grafische Industrie ist auch, dass wir vor drei Jahren ein komplett neues Produktionswerk in Betrieb genommen haben.
 
Auf Augenhöhe mit den Maschinenführern
2015 war es dann soweit. Noch vor meinem Bruder Yannick, der mir bald folgte, wurde ich Mitglied der Geschäftsleitung. Yannick ist Produktionsleiter, ich bin verantwortlich für den Verkauf, das Marketing und die Administration. Aktuell liegt mein Augenmerk auf der Kundengewinnung und der Kundenbindung. Weil ich unsere Maschinen von meinem zweijährigen «Praktikum» aus dem Effeff kenne und auch produktionstechnisch ein grosses Know-how habe, kann ich auf Augenhöhe mit den Maschinenführern auch die ausgefallensten Kundenwünsche besprechen. Das ist doppelt wichtig, weil wir viele spezielle Produkte fertigen.
 
Dass die Geschäftsleitung unserer Firma aus einem Geschwisterpaar besteht, hat viele Vorteile. Der grösste liegt ganz klar in der Arbeitsteilung. Yannick und ich sind zwar für verschiedene Bereiche zuständig. Wir müssen schwierige Entscheide aber nicht alleine fällen und haben stets eine vertrauenswürdige Person im Rücken, die einen stützt. Als Geschwister haben wir natürlich eine gute Vertrauensbasis und finden meistens schnell einen gemeinsamen Nenner.
 
Kurze Entscheidungswege als grosser Vorteil
Da wir als Weiterverarbeitungsbetrieb oft sehr kurzfristig auf die Wünsche unserer Kunden reagieren müssen, sind kurze Entscheidungswege natürlich ein grosser Vorteil. Genauso wichtig es aber auch, auf pflichtbewusste und flexible Mitarbeiter – inklusive meinem Vater! – zählen können. Denn sie machen solche Kurzfristigkeiten erst möglich.
 
Stichwort Vater: Er spielt nach wie vor eine sehr grosse und wichtige Rolle in seiner Tätigkeit als Verwaltungsratspräsident. Er hat sich zwar aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, lässt uns machen, und wir spüren sein Vertrauen. Mit seiner grossen und langjährigen Erfahrung – ich denke da beispielsweise an das wichtige Thema Preisgestaltung – gibt er uns aber nach wie vor sehr viele nützliche Ratschläge und unterstützt uns in jeglichen Situationen. So ist er sich keineswegs zu schade, bei grossem Auftragsvolumen die Ärmel hochzukrempeln und selber an den Maschinen zu arbeiten. Ich denke, unser Unternehmen ist ein ausgezeichnetes Beispiel für einen harmonischen Generationenwechsel.
 
Zusammen mit meinem Bruder hat mein Vater bei Investitionen immer noch den technischen Lead. Den definitiven Entscheid über die Anschaffung neuer Maschinen fällen wir jedoch stets zu dritt. Das war auch beim neuen Müller Martini-Sammelhefter Primera PRO so, in den wir in diesem Herbst als einer der weltweit ersten grafischen Betriebe investiert haben. Neben dem neuen Primera PRO laufen bei uns drei weitere Sammelhefter von Müller Martini. Der universelle Maschinenpark ist eine unserer grössten Stärken. So konnten wir uns mit unserer Kernkompetenz, auch für ausgefallene Wünsche eine Lösung zu finden, in der Branche einen Namen schaffen.
 
Wenn die Werbeagenturen staunen
Mein erklärtes Ziel ist es, einerseits das Bestehende aufrechtzuerhalten und andererseits neue Anreize für unsere Kunden zu schaffen. Ich denke dabei zum Beispiel an Veredelungen, wofür wir unseren grossen und vielfältigen Maschinenpark ausgelegt haben. Wichtig ist mir eine gute Beratung. Da kann ich meine Stärken einbringen: den Austausch mit Menschen und den Aufbau eines Netzwerks. So haben wir beispielsweise für unsere Kunden eine attraktive Musterbox zusammengestellt. Diese zeigen wir vor allem Druckereien, in zunehmendem Masse aber auch Werbeagenturen. Sie sind oft erstaunt, wenn sie sehen, was alles möglich und vor allem, was alles maschinell verarbeitbar ist – denn manuell fertigen wir ein Produkt nur im Notfall.
 
Als besonders spannend empfinde ich den Austausch mit Menschen, ob mit Mitarbeitenden oder mit Kunden. Gerade in der aktuell schwierigen Zeit ist es spannend, sich auszutauschen – auch wenn das derzeit leider oft nur telefonisch möglich ist – und neue Bekanntschaften zu schliessen. In den vergangenen Jahren habe ich gelernt, wie wichtig und relevant ein grosses und gut gepflegtes Netzwerk sein kann – geschäftlich ebenso wie privat. Weil ich nach der Geburt unseres Sohnes im vergangenen Sommer mein Arbeitspensum von 100 auf 50 Prozent reduziert habe, muss ich mich nun noch besser organisieren. Das klappt dank einer guten Stellvertretung bestens. Und mit den modernen Kommunikationsmittel bin ich jederzeit erreichbar.
 
Die Mitarbeitenden sind unser Kapital
Was meine Führungsgrundsätze bezüglich unserer Mitarbeitenden betrifft, habe ich eine klare Devise: qualifizierte und engagierte Mitarbeiter(innen) sind unser Kapital! Natürlich bin auch ich fordernd. Aber wir pflegen in unserem Hause einen kollegialen Umgangston. Alle sind miteinander per Du, und jede(r) darf – ja: soll – sich ins Unternehmen einbringen. Mit ihrem Ehrgeiz, wie mein Vater das Unmögliche möglich zu machen, tragen unsere Mitarbeiter viel zum Erfolg unseres Unternehmens bei und bringen einen jungen, modernen und frischen Wind in unsere Branche. Die gute Unternehmenskultur fördern wir zusätzlich mit einer Firmenmeisterschaft, die aus diverse Anlässen während des ganzen Jahres besteht.
 
Weil Innovation die treibende Kraft der Unternehmensentwicklung verkörpert, legen wir auch grossen Wert auf Aus- und Weiterbildung unseres Personals. So erreichen wir eine permanente Verbesserung, um den Anforderungen des Marktes auch in Zukunft gerecht zu werden. Indem wir erstklassige Qualität – sprich: Vier-Augen-Prinzip vor der Offerte bis zum fertigen Produkt – zu marktgerechten Preisen bieten, sichern wir langfristig den Fortbestand unseres Unternehmens und unsere Arbeitsplätze. Dabei muss uns allen eines jederzeit bewusst sein: Im Zentrum unserer Tätigkeit steht immer der Kunde. Denn ohne ihn ist alles nichts.
 
Frauen, glaubt an Eure Fähigkeiten!
Dass gerade unsere Branche als Männerbastion gilt und wenige Frauen eine Führungspositionen innehaben, finde ich schade. Ich selbst habe jedoch nie das Gefühl gehabt, anders behandelt zu werden, weil ich eine Frau bin. Jedoch glaube ich, dass ich als Frau vor allem im Verkaufsteam etwas mehr Empathie und Emotionen reinbringe. Kreativität hat viel mit Emotionen zu tun, was wiederum wichtig für die attraktiven Produkte unseres Hauses ist. Mir gefällt es, etwas Kreatives zu schaffen und nicht nur bei den Zahlen zu bleiben.
 
Bei vielen Frauen verspüre ich jedoch ein mangelndes Selbstbewusstsein. Sie fühlen sich von ihrem männlichen Umfeld zu wenig wahrgenommen. Mich motiviert, das Gegenteil zu beweisen. Daher mein Appell: Frauen, glaubt an Eure Fähigkeiten! Mit einem gesunden Selbstbewusstsein und viel Eigendisziplin wird auch eine Frau in einer Führungsposition wahr- und ernstgenommen. In jüngerer Zeit steigt der Frauenanteil in unserer Branche zwar. Aber ich fände es toll, wenn noch mehr Frauen – auch in Teilzeit – Führungsaufgaben übernehmen würden. Allerdings müssten hierfür viele Betriebe ihre veralteten Strukturen überdenken und moderner werden.
 
Es gibt auch corona-bedingte Neuaufträge
Leider hat die Corona-Pandemie auch auf unseren Betrieb negative Auswirkungen. Seit dem Lockdown im vergangenen März kämpfen wir wie viele grafische Betriebe weltweit mit Umsatzeinbussen. Die Aufträge waren in Frühling/Sommer sehr stark rückläufig. Viele Aufträge wurden eingestampft oder gar nicht erst produziert. Seit August hat sich die Auftragslage wieder etwas stabilisiert. Das Auftragsvolumen hat zugenommen, liegt aber nach wie vor unter dem Standard aus den Vorjahren. Allerdings bekommen wir auch corona-bedingte Neuaufträge.
 
Organisatorisch gibt es vor allem in der Personalabteilung den ein oder anderen Mehraufwand. So haben wir diverse Schutzmassnahmen verordnet, arbeiten mit Masken und mussten erstmals in unserer Firmengeschichte Kurzarbeit anmelden. Ich selber musste gar mal zehn Tage in Quarantäne, weil ich einen Anlass besuchte, bei dem jemand positiv war.
 
Welche Auswirkungen die Corona-Krise mittel- und langfristig auf unseren Betrieb im Besonderen und auf die grafische Branche im Allgemeinen haben wird, ist derzeit schwierig zu sagen. Natürlich bleiben wir optimistisch und setzen alles daran, unsere Firma und unsere Produktion aufrechtzuhalten und unsere Arbeitsplätze zu sichern. Längerfristig sehe ich keinen Grund für weniger Aufträge. Umso wichtiger sind deshalb jetzt die Kundenkontakte und das Akquirieren von Aufträgen. Und auch Investitionen wie der erwähnte neue Sammelhefter können uns jetzt weiterhelfen, uns mit Blick auf die Zukunft unsere Marktposition zu stärken. Dass unsere Branche unabhängig von der Corona-Krise kleiner werden wird, das ist klar. Aber sie wird ganz bestimmt nicht aussterben.
 
Die Kunden wollen mit etwas Haptischem auffallen
Denn die grafische Branche ist sehr vielseitig und kann in der modernen Welt der Digitalisierung bestens eingebunden werden. Ich bin überzeugt, dass die Digitalisierung durchaus auch positive Auswirkungen auf unsere Branche hat. Ich denke dabei an die Kombination von elektronischen Medien und Printprodukten wie Augmented Reality oder QR-Codes, aber auch an die vielen Veredelungsmöglichkeiten, mit denen personalisierte Mailings ausgestaltet werden. Viele unserer Kunden wollen mit etwas Haptischem auffallen. Gerade während der Corona-Zeit haben die Leute ja mehr Zeit, zu Hause solche Produkte anzuschauen. Ich tausche mich diesbezüglich viel in meinem Kolleg(inn)enkreis aus und frage jeweils, auf welche Reaktion die Werbung im Briefkasten stösst.
 
Ich selber habe am liebsten personalisierte Printprodukte – also personalisierte Mailing aller Art. Auch kreatives und ausgefallenes Print-Marketing erfreut mich immer wieder. Bücher und Magazine – wie könnte ich auf dem Tablet ein Kreuzworträtsel lösen? – lese ich ausschliesslich ab Print. Für die Zeitung und News bevorzuge ich hingegen elektronische Geräte.
 
Vielseitige Printprodukte haben Zukunft
Ich bin überzeugt, dass Printprodukte auch in Zukunft eine sehr grosse Bedeutung haben – sei es eine handgeschriebene Karte, eine persönlich unterzeichnete Einladung oder ein personalisiertes Mailing mit den neusten Modetrends. Printprodukte sind vielseitig und eindrücklich. Sie müssen aber – Stichwort wiederum Haptik – moderne Elemente enthalten.
 
Dafür braucht es aber eine grafische Branche, die sehr vielseitig ist und in der modernen Welt der Digitalisierung sehr gut miteingebunden werden kann. Mit den heutigen Veredelungsmöglichkeiten sowie genialen und kreativen Ideen vieler jungen Fachleute verschaffen grafische Produkte auch in Zukunft viele positive Eindrücke – getreu unserem Firmenmotto: «Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.»


 
Ihre
Marina Bucher,
Geschäftsführerin Schär Druckverarbeitung AG, Wikon (Schweiz)