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15.12.2020 / Adrian Mayr

«Wir müssen einen intelligenten Mix zwischen Präsenz- und Online-Veranstaltungen finden»

Wegen der Corona-Pandemie wurden in diesem Jahr weltweit mehrere grafische Messen verschoben oder ganz abgesagt. An ihre Stelle traten in den vergangenen Monaten zunehmend Webinare, die sowohl von Maschinenherstellern als auch von Fachmagazinen und deren Online-Plattformen angeboten wurden und immer noch werden. Eine besonders attraktive Veranstaltung waren in diesem Herbst die Print Innovation Week von print.de, an der ich das grosse Vergnügen hatte, vor einem zahlreichen Publikum zum Thema «Smart Factory in der Druckweiterverarbeitung: Beispiele erfolgreicher digitaler Transformation» zu referieren.
 
Die digitale Transformation macht – und diese Entwicklung wurde mit der Corona-Krise zweifellos beschleunigt – auch vor der grafischen Branche nicht Halt. Nebst vielen Herausforderungen eröffnet sie uns durchaus auch neue Chancen. So bietet Müller Martini beispielsweise den Kunden wegen der Reisebeschränkungen Online-Demos aus seinen Showrooms an – und wir haben übrigens schon nach kurzer Zeit auf diese Weise eine Maschine verkauft. Oder wir halfen vor ein paar Wochen – weil unsere Techniker nicht einreisen durften – einem slowakischen Kunden mit Online-Video- und Telefon-Unterstützung aus unserem Werk in Rahden, seine Buchlinie BF 530 selber zu reparieren.
 
Ausserdem nahmen wir im August am Inkjet Summit in den USA teil – einer Messe für Digitaldrucker, die unter dem Motto «All from the Comfort of Your Home or Office» erstmals in ihrer neunjährigen Geschichte virtuell über die Bühne ging. Vielleicht haben Sie dazu den vor einigen Wochen erschienenen Blog meines amerikanischen Kollegen Andy Fetherman gelesen. Der Inkjet Summit ermöglichte es uns ebenso wie die Print Innovation Week, die dank der professionellen Plattform print.de ein hochkarätiges Publikum garantierte, über einen zusätzlichen Kanal Sichtbarkeit zu zeigen, unsere Botschaften zu transportieren und so die ausfallenden Fachmessen wenigstens teilweise zu kompensieren.
 
Eine Premiere für mich
Als international tätiges Unternehmen mit Verkaufsgesellschaften auf allen Kontinenten setzen wir Webinare schon seit einigen Jahren ein – beispielsweise um unsere Mitarbeiter über neue Maschinen zu instruieren. Insofern habe ich intern bereits einige Erfahrung als Webinar-Präsentator sammeln können. Was einen öffentlichen Auftritt anbelangt, war die Print Innovation Week allerdings eine Premiere für mich, bei der ich jedoch von meinen internen Erfahrungen profitieren konnte.
 
Dabei habe ich versucht, mir das Publikum geistig vorzustellen und nicht ab Blatt abzulesen. Ich erstelle jeweils auch bei Live-Präsentationen vor Leuten im Vorfeld nie ein fertiges Manuskript, sondern schreibe mir Stichworte auf und rede dann frei. Was die reine Präsentation anbelangt, macht es für mich deshalb keinen grossen Unterschied, ob ich einen Vortrag vor einem Live-Publikum oder in einem Online-Seminar halte.
 
Kleine Versprecher gehören dazu
In zweierlei Hinsicht gibt es jedoch markante Unterschiede. Zum einen stellt der Organisator bei einem Live-Event die gesamte technische Infrastruktur wie Laptop, Beamer und Mikrofon zur Verfügung. Hierfür muss man bei einem Webinar selber sorgen, und das gibt eine zusätzliche Komplexität – erst recht, wenn man das Referat aus dem Urlaub hält, doch darauf komme ich noch zurück. Zum andern fehlen bei einem Online-Auftritt die spontanen Reaktionen, man kann nicht mit den Zuhörern spielen.
 
Ob es einfacher ist vor Publikum oder im quasi anonymen Internet aufzutreten? Schwierig zu sagen. Tatsache aber ist, dass ich lieber vor einem Live-Publikum auftrete. Unabhängig vom Format bin ich jedoch am Anfang immer etwas angespannt, bevor sich die Nervosität dann legt.
 
Klar, es gibt den Spruch: «Das Internet vergisst nie». Und mir war durchaus auch bewusst, dass mein Online-Webinar auf YouTube gestellt wird und damit de facto für alle Ewigkeit bestimmt ist. Das setzte mich aber nicht unter Druck. Kleine Versprecher gehören bei einem Internet-Auftritt nun mal ebenso dazu wie vor einem Live-Publikum – schliesslich bin ich kein Profi-Speaker. Zudem bleiben ja nicht nur die Sprache, sondern auch die Grafiken und Bilder. Insofern erachtete ich die Print Innovation Week als gutes Beispiel für das Zusammenspiel von Referat und Visualisierung.


 
Mit Blick auf den Lago Maggiore
Dass ich bereits im Vorfeld die hohe Zahl der Webinar-Teilnehmer kannte, freute mich zwar. Besonders nervös machte mich das aber nicht, denn mein eigener Anspruch an die Qualität eines Vortrags hängt nicht von der Zahl der Zuhörer ab.
 
Reichlich ungewöhnlich war dafür zugegebenermassen die Location, von der aus ich mich an die Zuhörer richtete. Ich befand mich nämlich mitten im Urlaub in einer Ferienwohnung im Kanton Tessin. Wenn ich über meinen Laptop durchs Fenster hinausschaute, hatte ich einen wunderbaren Blick auf den Lago Maggiore. Ob die lockere Ambiance besonders beruhigend auf mich wirkte, weiss ich nicht. Sicher ist jedoch, dass ich einen Riesenrespekt davor hatte, ob die Online-Verbindung hält. Weil es in der Ferienwohnung nämlich kein WLAN hatte, war ich über mein Handy mit dem Internet verbunden. Und ich durfte vor meiner Abreise auf keinen Fall vergessen, ein Geschäftshemd einzupacken…
 
Dass Müller Martini mit 117 Teilnehmern die zweithöchste Einschaltquote der gesamten Print Innovation Week hatte, freute mich natürlich besonders. Die hohe Resonanz war sicher auch das Resultat unserer Anstrengungen, den Anlass im Vorfeld über unsere eigenen Kanäle wie die Müller Martini-Website oder über LinkedIn bekanntzumachen. Natürlich waren unter den Live-Zuhörern – zu denen im Nachgang viele weitere hinzukamen und nach der Aufschaltung des Webinars auf YouTube bestimmt noch weitere hinzukommen werden – auch einige Müller Martinianer. Doch das ist für mich ein positives Signal, zeigt es doch das Interesse unserer Mitarbeiter – und vielleicht hat der eine oder andere ja auch noch etwas dabei gelernt…

Hier Video abspielen!

Vorteile…
Ich fand die Print Innovation Week ein ausgezeichnetes Format und einen interessanten Ansatz, um ein Vakuum zu füllen, das durch die wegen der Corona-Pandemie abgesagten Präsenz-Veranstaltungen entstanden ist. Die Print Innovation Week waren nicht zuletzt deshalb besonders attraktiv, weil es eine tiefe Einstiegshürde für die Teilnehmer gab.
 
Ein grosser Vorteil eines Webinars ist zweifellos, dass der Reiseaufwand entfällt. Üblicherweise benötigt man für einen Auftritt vor Publikum mindestens einen ganzen Tag. Was hingegen die Vorbereitung anbelangt, sehe ich keinen grossen Unterschied zwischen einem Webinar und einem klassischen Referat.
 
Den Mehrwert von Online-Veranstaltungen sehe ich insbesondere darin, dass man – insbesondere bei einem so attraktiven Format wie den Print Innovation Week – mit einem relativ geringem Aufwand niederschwellig ein breites Publikum erreichen kann, dass die Webinare zeitlich unbegrenzt im Internet verfügbar sind und somit auch später noch zeit- und ortsunabhängig angeschaut werden können und dass sie – wie bereits angetönt – durchaus auch eine Refresh-Wirkung für unsere Mitarbeiter haben können.
 
…und Nachteile
Andererseits hat ein Webinar gegenüber dem traditionellen Format vor einem Live-Publikum auch mehrere Nachteile. Man sieht keine unmittelbaren (Mimik-)Reaktionen der Zuhörer. Es sind keine persönlichen Kontakte und damit auch keine informellen Gespräche und kein Know-how-Austausch möglich.
 
Wenn Sie mich fragen, ob die Vor- und Nachteile überwiegen, dann ist meine Antwort klar: Es gibt bezüglich Online-/Präsenz-Veranstaltungen kein Entweder/Oder, sondern ein Sowohl/Als auch. Wir müssen einen intelligenten Mix zwischen Präsenz und Online finden. Wenn Sie mich jedoch fragen, welche Form ich als Referent bevorzuge, dann fällt meine Antwort zugunsten einer Präsenz-Veranstaltung aus.
 
«Hybrid»-Format für die Zukunft
Ich ziehe die gleiche Schlussfolgerung wie Andy Fetherman: Eine virtuelle Veranstaltung wie der Inkjet Summit oder die Print Innovation Week kann einen Präsenzanlass nicht 1:1 ersetzen. Denn auf Publikumsveranstaltungen werden stets viele informelle Kontakte mit wichtigen Entscheidungsträgern geknüpft, durch die wir unsere Kunden besser kennenlernen und engere Beziehungen für künftige Verkaufsaktivitäten anbahnen können. Klar haben wir vom Veranstalter die Kontaktdaten der Zuschauer bekommen, konnten diese kategorisieren und haben die Möglichkeit, mit (potenziellen) Kunden in direkten Kontakt zu treten. Doch das ersetzt den direkten Kontakt an einer Fachveranstaltung oder an einer Messe nicht. Kommt hinzu: Weil die Print Innovation Week in deutscher Sprache abgehalten wurden, beschränkt sich der Kundenkreis natürlich vorwiegend auf Deutschland, Österreich und die Schweiz.
 
Zweifellos haben virtuelle Veranstaltungen ihre ganz eigenen Vorteile. Daher erwarte ich für künftige Messen und Konferenzen eher ein «hybrides» Format. Dieses könnte aus realen Veranstaltungen bestehen, die durch virtuelle Aktivitäten ergänzt werden, damit auf Kundenseite mehr Teilnehmer von den Seminaren, Maschinenvorführungen usw. profitieren können.
 


Sie haben mein Live-Referat im Oktober verpasst, möchten es aber gerne in Ruhe mal anschauen? Wie gesagt: kein Problem. Sie finden es auf dem YouTube-Kanal von Müller Martini.
 
 
Ihr
Adrian Mayr
Leiter Produkt Management & Corporate Marketing Müller Martini