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20.10.2020 / Arne Klages

Serie Nachhaltigkeit (III): Drucken schlecht – Internet gut?

Im zweiten Teil unserer Blog-Trilogie zum Thema Nachhaltigkeit beschäftigten wir uns vor einer Woche mit der Frage, was der Klimaschutz mit der grafischen Branche zu tun hat. Nun könnte man den Gedanken ja auch zu Ende führen und sagen: Wenn Papier so viel CO2 verursacht und die ganzen Bäume dafür draufgehen, warum drucken wir dann überhaupt noch? Warum nutzen wir nicht unser Tablet oder unser Smartphone zum Lesen und lassen den ganzen Quatsch mit den toten Bäumen? Dieser Gedankengang lässt jedoch einige Fakten über diese Alternativen ausser Acht.

Machen wir uns mal kurz den Lebenszyklus eines Buches klar. Die ersten Schritte eines Buches beginnen meist damit, dass jemand alte Drucksachen wie Zeitschriften oder Bücher in die Altpapiersammlung gibt. Denn der Grossteil aller produzierten Papiersorten in Deutschland hat einen Altpapieranteil. Die Recyclingquote liegt in der Europäischen Union bei 72 Prozent. 

Bäume in Form von Frischfasern werden so wenig wie möglich verwendet. Nicht etwa, weil sie den Papierproduzenten so leidtun, sondern weil Frischfaser-Material teuer ist und über weite Wege importiert werden muss. Ausserdem darf man nicht vergessen, dass Papier beziehungsweise Holz ein nachwachsender Rohstoff ist. Dieser kann, wenn er verantwortungsvoll genutzt wird, auch kommenden Generationen noch zur Verfügung stehen.

Wenig Recycling bei den digitalen Alternativen
Smartphones und Tablets hingegen benötigen seltene Erden (vor allem für Magnete in elektronischen Bauteilen), die kaum recycelt werden. Hinzu kommt, dass sie zumeist in China und der Inneren Mongolei unter Bedingungen abgebaut werden, die ich aus europäischer Sicht als unangenehm beschreiben würde. 

Auch die Plastikanteile sind nur höchst selten erneuerbar. Die Qualität von recycelten Kunststoffmaterialien ist für Hochglanzprodukte meist zu gering. 

Apple gibt an, dass im iPhone 11 gerade einmal 35 Prozent der Plastikbauteile aus Recyclingmaterialien bestehen (wir erinnern uns: Papier hat eine Recyclingquote von 72 Prozent). Ähnlich wie beim Buch auch entsteht der Grossteil der Emissionen bei der Herstellung der Geräte – laut einer Studie des Öko-Instituts e.V. etwa 80 Prozent. Beim E-Reader (nicht Tablet) werden im Durchschnitt 8 bis 10 kg CO2-Äquivalente ausgestossen, wovon der Grossteil auf das extrem klimawirksame Schwefelhexafluorid (SF6) entfällt. Dieses gilt als das stärkste bekannte Treibhausgas

Amazon gibt an, dass es die CO2-Bilanz seiner Geräte sehr genau und detailliert parametrisiert und daraufhin Modelle erstellt, um die Emission zu berechnen. Veröffentlicht werden die Daten aber nicht – schade eigentlich…

Apple hingegen gibt für sein iPad Pro der neusten Generation sogar einen «carbon footprint» (also über die gesamte Lebensdauer des Produktes) von 151 kg CO2 an. Hierbei muss man bedenken, dass ein iPad natürlich einen weitaus höheren Funktionsumfang erfüllt als das reine Lesen von Büchern. Aber das Beispiel zeigt, dass das Erwerben eines iPads nur zum Lesen definitiv keine grüne Alternative ist. 

Das Buch emittiert nur ein einziges Mal CO2 – bei der Produktion
Als Silberstreifen am Horizont kann jedoch ein Bestandteil des iPads punkten: die Verpackung. Diese besteht nämlich zu 96 Prozent aus Fasern, die komplett aus Wäldern mit nachhaltiger Forstwirtschaft stammen. Immerhin 43 Prozent des Faseranteils sind aus Recyclingquellen.

Ein weiterer Unterschied, der auf der Hand liegt: Das Buch emittiert während seines gesamten Lebenszyklus nur ein einziges Mal CO2 – und zwar bei der Produktion. 

Tablets und Smartphones hingegen benötigen Strom, um zu funktionieren. Hinzu kommt der wachsende Trend, die Bücher nicht auf dem Gerät zu speichern, sondern in der Cloud. Jedes Mal, wenn das Buch geöffnet wird, werden alle Daten neu übertragen, was den indirekten Energieverbrauch um einen schwer abschätzbaren Wert erhöht. Egal wie energieeffizient Tablets, Smartphones und Rechenzentren also auch werden, das Buch wird stets überlegen sein.

Jährlich 65 Millionen Tonnen Elektroschrott
Natürlich braucht man Licht, um ein Buch im Dunkeln zu Lesen. Allerdings gehe ich davon aus, dass auch Tablets nicht im dunklen Kämmerlein gelesen werden. Hinzu kommt, dass Bücher nur selten weggeschmissen werden. Die durchschnittliche Lebenszeit eines Buches beträgt ungefähr zwölf Jahre, in denen das Buch meist von mehreren Personen gelesen wird. Wir alle kennen doch das Szenario, indem wir Omas Bücherkiste mit über 50 Groschenromanen geschenkt bekommen. Nach dem Aussortieren können Omas alte Schmöker immerhin noch durch den Altpapier-Kreislauf rezykliert werden.

Der E-Reader hingegen hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von zwei Jahren. Auch das kennen die meisten von uns – speziell nach Garantieablauf. Das Recycling ist beim Tablet jedoch nicht so einfach. Der Grossteil des Elektroschrotts ist Sondermüll und landet auf Deponien in Entwicklungsländern. Dabei ist die Last des Schrotts erdrückend – erinnern Sie sich an den Blog von Knud Wassermann. Jährlich 65 Millionen Tonnen Elektroschrott fallen weltweit an, nur 16 Prozent werden rezykliert.

Immer mehr elektronische Geräte
Hinzu kommt die schiere Menge an Tablets, Smartphones und anderem Schnickschnack. Laut Angaben von Cisco, einem der weltweit grössten Unternehmen der Telekommunikationsbranche, besitzt bis 2023 jede Person in Westeuropa 2,9 Stück dieser Geräte. 

Hier spielt der sogenannte «Rebound-Effekt» eine grosse Rolle. Weil die Halbleiter-, Bildschirm- und Prozessor-Technologie immer energieeffizienter wird, werden auch immer höhere Auflösungen (wir sind mittlerweile bei 16K) und Bildschirmgrössen angeboten. Die Frage ist nun, ob diese Leistungssteigerung den reduzierten Stromverbrauch auffrisst.

Einige Zeichen sprechen dafür. So zeigen Zahlen des französischen Shift Projects, dass das sogenannte Koomey's Law sich immer weiter abkühlt beziehungsweise ein Plateau erreicht. Dieses besagt, dass sich die Energieeffizienz von Rechenleistung seit 60 Jahren alle 1,6 Jahre verdoppelt. Seit dem Jahr 2000 verdoppelt es sich nur noch alle 2,7 Jahre. Das Think-Tank-Shift-Projekt gibt an, dass die Effizienzverbesserungen schon jetzt nicht mehr ausreichen, um den jedes Jahr um 9 Prozent steigenden Energiebedarf zu kompensieren.

Kann man da was machen?
Aber was machen wir nun aus diesen Werten? Wir können daraus zwei Rückschlüsse ziehen. Erstens: Das Haupt-Einsparpotenzial an CO2-Emissionen in der Printindustrie liegt beim Einsparen von Papier. Zu diesem Schluss kommen auch Heidelberg und Müller Martini, die beide schon vor einiger Zeit solche Analysen durchgeführt haben.

Besonders das Einsparen von Anfahrmakulatur und das Vermeiden von Stoppern können dabei helfen, die Bücherproduktion so klimaschonend wie möglich zu gestalten. Auch das maximale Ausnutzen eines Formats durch Sammelformen kann den CO2-Ausstoss natürlich verringern. Zum Vergleich: Bei meiner Beispielrechnung würden für 5000 Bücher etwa 166 Kilogramm CO2 nur auf die Makulatur entfallen.

Zur besseren Ausnutzung des Formats bietet Müller Martini zum Beispiel die Möglichkeit, mit dem Barcode-Erkennungssystem Asir 3 herkömmliche Barcodes durch spezifische Bildelemente zu ersetzten. Der zusätzliche weisse Bereich, die «Quiet Zone» mit aufgedrucktem Barcode, entfällt hierbei komplett.

Obwohl die Weiterverarbeitung nur einen geringen Anteil am CO2-Ausstoss des Druckprozesses hat, gibt es in diesem Produktionsbereich trotzdem Bemühungen, den Fussabdruck zu verringern. In den modernen Maschinen von Müller Martini werden Servoantriebe der Effizienzklasse IE3 eingesetzt. Diese nutzen eine Energierückführung für die dynamische Bewegung schwerer Teile, die einen Teil der verwendeten Energie wieder an das Netz zurückgeben.

Einsparpotenziale bei Klebebindern
Speziell bei den Klebebindern hat Müller Martini Einsparpotenziale erkannt. So können statt der traditionellen Auftragswalzen Leimdüsen verwendet werden. Für diese müssen nur noch kleine Leimmengen und nicht mehr ganze Becken vorgeschmolzen werden.

Das lokale Produzieren von Büchern kann Transporte via LKW, Schiff oder gar Flugzeug reduzieren und somit auch die Umwelt entlasten. Auch hierzu bietet Müller Martini mit der Kombination Klebebinder Vareo/Dreischneider InfiniTrim entsprechende Lösungen an.

Nicht zuletzt ist auch ein Workflow-Management-System ein Ansatzpunkt, um Ressourcen zu schonen. Digitale Auftragstaschen durch das JDF-Format verhindern Fehler, die eventuell zu Makulatur, Ausschussbogen oder gar Fehlexemplaren geführt hätten.

Nicht zuletzt wird durch ein solches System die Lebenszyklus-Analyse für Druckprodukte möglich. Kenne ich meinen Energieverbrauch und die Angaben zu den verwendeten Ressourcen, wird eine präzise Analyse des Lebenszyklus für jedes Druckprodukt möglich.

Fazit
Was nehmen wir nun also aus diesem ganzen Thema mit? Was haben wir aus dieser dreiteiligen Blog-Serie gelernt?

  1. Zuerst einmal (und das ist mein wichtigstes Anliegen): Durch die globale Pandemie ist der Klimawandel nicht vom Tisch. Ganz im Gegenteil:  Es ist allerhöchste Eisenbahn. Denn die Zahlen sehen für die Menschheit nicht gut aus.
  2. Ja, wir können anderen Ländern den Schwarzen Peter zuschieben und sagen, dass die sich gefälligst mal darum kümmern sollen. Allerdings müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir mit unserem Konsumverhalten für den Grossteil dieser Emissionen mitverantwortlich sind. Ich nehme mich hier nicht aus, denn auch ich habe ein Smartphone – und das kommt aus China.
  3. Der Grossteil des Ausstosses an klimawirksamen Gasen stammt aus unserem stetig steigenden Hunger nach Energie. Energie, die nicht nur von der Industrie genutzt wird, sondern auch von der steigenden Menge an blinkendem Plastikschrott, den wir tagtäglich benutzen, um Serien auf Netflix zu schauen oder Bilder von unserem Karibikurlaub zu teilen.
  4. Die Zellstoff-, Papier- und Printindustrie trägt mit rund 1 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen zum CO2-Austoss bei. Der Grossteil entfällt auf die Papierindustrie, die rund 80 bis 90 Prozent ausmacht. Der restliche Energieeinsatz verursacht rund 10 bis 20 Prozent der Emissionen. Davon wiederum entfallen rund 10 bis 15 Prozent auf die Weiterverarbeitung. Der Gesamtanteil der Weiterverarbeitung am Produkt beträgt daher rund 2 Prozent.
  5. Trotz dieses nur geringen Anteils gibt es innovative grafische Unternehmen, die in Richtung Nachhaltigkeit aktiv werden und durch Energierückgewinnung oder smarte Automatisierungen ökologische Vorteile schaffen. Die digitale Transformation macht die Analyse von Produkt-Lebenszyklen so einfach wie noch nie, ist das Ziel doch heute, jedes Produkt zu tracken.
  6. Nicht alle digitalen Alternativen sind so grün, wie wir immer denken. Die digitale Infrastruktur stösst bereits jetzt 4 Prozent der globalen Treibhausgase aus. Laut Prognosen soll sich der CO2-Ausstoss des IT-Bereichs bis 2025 auf 8 Prozent verdoppeln.
  7. Die Ressourcen unseres blauen Planeten sind begrenzt. Wollen wir also weiterhin Wohlstand generieren, müssen wir uns überlegen, wie wir Ressourcen, die auch in Zukunft noch zur Verfügung stehen sollen, einsetzen. Unter den richtigen Rahmenbedingungen kann Papier so ein Rohstoff sein.
  8. Druckprodukte wie Bücher emittieren bei der Produktion nur etwa ein Zehntel des Kohlenstoffdioxids im Vergleich zur digitalen Alternative. Danach stossen sie im Gegensatz zu Tablets und E-Readern keine Emissionen mehr aus. Dabei haben Bücher die überlegene Lebensdauer, werden meist weiter verliehen und können zu fast 100 Prozent recycelt werden.
  9. Die Book-of-One-Produktion kann für kürzere Transportwege und weniger überzählige Exemplare sorgen, steigert aber den CO2-Ausstoss pro Exemplar leicht.


Nachhaltigkeit bedeutet mehr als nur ökologische Aspekte
Während meiner Recherchen für diesen Blog bin ich auf einen Spruch gestossen, den ich für die gesamte Klimadebatte sehr relevant halte: «Denken Sie nicht ökologisch, sondern ganzheitlich.»

Das klingt erst einmal provokant – und soll es auch. Aber in diesem Satz steckt viel Wahrheit. Denn Nachhaltigkeit bedeutet mehr als nur ökologische Aspekte. Ökonomische und soziale Aspekte sind diesen Zielen nämlich gleichgestellt. Sie sorgen dafür, dass die Ziele lebensfähig und fair bleiben.

Kauft man der Umwelt zuliebe ein Tablet, damit in Zukunft keine Bäume mehr gefällt werden, macht dieses aus ökologischer Sicht erst einmal Sinn. Klar: weniger kaputte Bäume. Kauft man aber jedes zweite Jahr das neuste Modell des iPads und muss zusätzlich jedes Jahr den Akku tauschen, funktioniert diese Herangehensweise schon nicht mehr.

Wahrnehmung und Konsumverhalten schärfen 
Die Klimaproblematik wurde durch die Medien und Aktionen wie Fridays for Future emotional stark aufgeladen. Ich halte das für den falschen Weg. Sicherlich ist es wichtig, auf das Problem aufmerksam zu machen und unsere Wahrnehmung und unser Konsumverhalten zu schärfen. Aber es ist eben auch wichtig, nicht in kollektive Denkmuster zu verfallen. 

Plastik ist böse, Bäume fällen ist schlecht, Online ist immer grüner sind nur einige der branchenrelevanten Vorurteile.
Wenn zum Beispiel eine Plastikfolie um die Gurke dafür sorgt, dass diese doppelt so lange haltbar wird, ist das durchaus sinnvoll, obwohl es auf den ersten Blick nicht ökologisch wirkt. Es ist aber durch andere Faktoren trotzdem nachhaltig.

Der Klimawandel ist ein Problem, und das Problem ist da. 
Jetzt geht es darum, dieses Problem zu lösen – und das tut man am besten mit Logik und Nachdenken. Zur Schule gehen, hilft übrigens auch…

Arne Klages ist Student an der Hochschule der Medien im deutschen Stuttgart. Er studiert seit 2018 den noch relativ neuen Studiengang Print Media Technologies mit dem Ziel des Bachelor of Engineering. Davor hatte er eine Ausbildung zum Medientechnologen Druck abgeschlossen, in welcher er sein Interesse für alle Themen rund um Print entwickelte.

Alle drei Teile unserer Blog-Serie zum Thema Nachhaltigkeit können Sie hier als Whitepaper downloaden.



Ihr
Arne Klages

Arne Klages ist Student an der Hochschule der Medien im deutschen Stuttgart. Er studiert seit 2018 den noch relativ neuen Studiengang Print Media Technologies mit dem Ziel des Bachelor of Engineering. Davor hatte er eine Ausbildung zum Medientechnologen Druck abgeschlossen, in welcher er sein Interesse für alle Themen rund um Print entwickelte.