06.05.2021

Gedruckter Genuss

Der internationale Kochbuch-Markt nimmt nach dem Boom in den Jahren 2016/2017 und der anschliessenden Delle im Jahr 2018 wieder an Fahrt auf. Für Verlage geht es darum, den aktuellen gesellschaftlichen Wandel zu begleiten, der sich auch in Lifestyle- und Ernährungsthemen widerspiegelt. In diesem Umfeld – zusätzlich befördert durch die Corona-Pandemie, während der vermehrt zu Hause gegessen wird – sind Kochbücher weitaus mehr als nur eine Rezeptsammlung zwischen zwei Buchdeckeln. Sie sind vielmehr eine Inspirationsquelle für ein nachhaltiges und gesundes Leben.
 
Ernährung, die dem Menschen guttut und gleichzeitig die Erde schützt, ist auch im laufenden Jahr ein grosses Thema am internationalen Buchmarkt. Das ist gut so, denn dem kulinarischen Segment hat in den letzten Jahren, nach der Boom-Phase zum veganen Essen, ein klarer Trend gefehlt.
 
Im Zuge der Klimadebatte rollt eine neue vegan-vegetarische Welle über den Kochbuch-Markt – allerdings unter anderen Vorzeichen und mit anderen Autoren. Das Niveau der Neuerscheinungen in Deutschland etwa hat sich wieder auf jenes vor dem Boom vor sechs Jahren bei rund 1700 Neuerscheinungen einpendelt.


Das Spektrum an Kochbüchern reicht vom einfachen Küchenratgeber bis zum Sammler- oder Coffee-Table-Buch.

Den gesellschaftlichen Wandel begleiten
Viele junge Leute, die sich engagieren, überdenken ihren Alltag, verzichten auf Fleisch und tragen diese Impulse in die Familien hinein. Da werden gute und vor allem alltagstaugliche Kochbücher und Ratgeber benötigt. Dabei geht es für die Verlage darum, den gesellschaftlichen Wandel zu begleiten, der sich auch in Lifestyle- und Ernährungsthemen widerspiegelt. «Das Kochen erfindet sich gerade neu. Die Konsumenten wollen bewusster leben und essen – und genau dafür brauchen sie gute Orientierungshilfen», betont Hanni Rützler, Ernährungswissenschaftlerin und Expertin für Foodtrends.
 
Im Zuge der Corona-Krise rücken aber auch Themen wie «Regionalität», «Selbermachen» und «Konservierung von Lebensmittel» neuerlich in den Fokus, ist der Verleger Hubert Krenn, der seit vielen Jahren sehr erfolgreich Kochbücher und Ratgeber vermarktet, überzeugt.
 
Das Kochbuch als «Collector’s Edition»
Im aktuellen Umfeld haben Verlage die Chance, die oben genannten Themen weiter auszudifferenzieren und so die unterschiedlichsten Zielgruppen anzusprechen. Die grüne Küche ist längst im Mainstream angekommen. Das sieht auch Stefanie Neuhart, Programmleitung Kochen & Geniessen bei Brandstätter, Wien & München, so. Zu den Longsellern des Verlags gehört etwa Katharina Seisers Kochbuch «Immer schon vegan» aus dem Jahr 2015, das 2019 einen zweiten Aufschwung genommen hat.
 
Die 25 000 verkauften Exemplare feierte der Verlag mit einer «Golden Edition» mit gelbem Farbschnitt, Lesebändchen, Rezeptpostkarte, Stofftasche und einer limitierten Auflage von 999 signierten und nummerierten Exemplaren. Das Kochbuch als «Collector’s Edition» wie auf dem Kunstbuchmarkt – eine geschickte Marketingidee.
 
Ob mit oder ohne Fleisch. Derzeit sorgen Kochbücher jedenfalls für erfreuliche Umsätze. Das sind gute Nachrichten für ein Segment, das 2018 ein schwieriges Jahr durchgemacht hat.
 
Vor allem das niedrige Preissegment litt unter dieser Entwicklung. «Für unser Programm gilt mehr denn je: Wir müssen bei der Kochbuchentwicklung nicht jeden Trend mitmachen, sondern mit viel Liebe zum Detail unsere Kochbücher gestalten», fasst Stefanie Neuhart die Strategie von Brandstätter zusammen.
 
Food-Blogs beeinflussen den Markt
Ein weiterer Punkt, der sich positiv auf den Kochbuch-Markt auswirkt, sind Blogger. Blogs und Kochbücher befruchten sich gegenseitig, und passionierte Blogger sind unglaublich buchaffin. Die Menge an Büchern ist sicher auch der Professionalisierung der Food-Blogs geschuldet. «Food-Blogs haben den Markt stark beeinflusst – etwa bei Themen wie Ästhetik. Sie sind Katalysatoren und Multiplikatoren, stilbildend und bereichernd», stellt Monika Schlitzer, Geschäftsführerin bei Dorling Kindersley DK Verlag in München, fest.
 
Verlage, die bei Blogger-Kochbüchern das richtige Händchen haben, können sich glücklich schätzen. Vor allem, wenn zu einem guten Inhalt auch noch eine gute Vernetzung des Autors hinzukommt. Zu den Glücklichen zählt etwa Bluebird in Grossbritannien. Der Verlag konnte die beiden Food-Bloggerinnen Kate Allinson und Kay Featherstone gewinnen. Ihr Buch «Pinch of Nom» wurde über eine Million Mal verkauft und war 2019 das meistverkaufte Buch in Grossbritannien.
 
Die Verlage befeuern sich gegenseitig
Wer sich die Entwicklung des Kochbuch-Markts in den letzten Jahren ansieht, erkennt, dass die Qualität der Inhalte, der Fotografie, der Grafik und der Ausstattung von Kochbüchern kontinuierlich gesteigert worden ist. Kochbücher bieten Grafikdesignern ein breites kreatives Betätigungsfeld, um spezielle, von Food-Designern gestaltete Fotos mit ansprechender Typografie und verführerischen grafischen Elementen zu kombinieren. Es gibt heute international eine ganze Reihe von Verlagen, die Kochbücher in höchster Qualität und mit viel Liebe fürs Detail produzieren. Diese Verlage befeuern sich gegenseitig – wobei dies auch seinen Preis hat.
 
Für Herstellungsleiter ist dies kein leichtes Unterfangen, die gestalterischen Ansprüche mit dem Produktionsbudget in Einklang zu bringen. Der Wunsch nach ausgefallenen Materialien, Bindeverfahren und speziellen Veredelungen steigt. Das ist gerade für Kochbücher wichtig, um ein sinnliches Thema entsprechend zu transportieren. Wobei die Basis für die anspruchsvolle Produktion über die ganze Prozesskette in der Druckvorstufe gelegt wird. Um das Thema Nachhaltigkeit auch auf haptischer Ebene zu vermitteln, wird vermehrt auf ungestrichene Papiere gesetzt. Mit einem entsprechenden Volumen verleihen solche Papiere den Büchern auch einen gewissen Körper.


Die Konsumenten wollen bewusster leben und essen – und genau dafür brauchen sie gute Orientierungshilfen.

Grosses Spektrum
Die Entscheidung für bestimmte Ausstattungsmerkmale hängt natürlich stark vom Preissegment und der Zielgruppe ab. Das Spektrum reicht vom einfachen Küchenratgeber bis zum Sammler- oder Coffee-Table-Buch. Gerade bei hochwertigen Kochbüchern greifen europäische Verlage gerne auch auf lokale Produktionspartner zurück.
 
Gleichzeitig gehen Verlage dazu über, keine Einzelaufträge zu vergeben, sondern fassen mehrere Bücher zu monatlichen Paketen zusammen, um so Skaleneffekte in der Produktion zu nutzen. Solche Szenarien bieten sich unter anderem auch bei Lizenzproduktionen an. Wenn man das bereits in der Konzeption und Gestaltung bedenkt, können Sprachwechsel sehr einfach bewerkstelligt und die Stückkosten reduziert werden.
 
Kochbücher als Storyteller
Die Zukunft des Markts liegt in sorgfältig bearbeiteten Kochbüchern mit Charakter, die mehr sind als reine Rezeptsammlungen. Bücher, die erzählen, emotionalisieren und ihren Leser(inne)n Welten öffnen. Nie war der Kochbuch-Markt bunter und vielfältiger, vor allem aber ist der Anspruch an Qualität und Originalität enorm gestiegen.
 
Hier sind Druckereien und Buchbinder gefordert, sich auf diese Entwicklung einzustellen – die richtigen Werkzeuge für die Produktion sind jedenfalls verfügbar.