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22.09.2020 / Roger Hochuli

«Die 3D-Drucktechnologie sorgte im Versuchswesen von Müller Martini für eine Revolution»

Roger Hochuli und Janick Suter arbeiten als Berufsbildner an der Zukunft von Müller Martini und sammeln Erfahrungen im Umgang mit der 3D-Drucktechnik.

Als Berufsbildner betreuen wir je 16 lernende Konstrukteur(innen) und Automatiker(innen). Wir legen Wert auf eine praxisbezogene Ausbildung und fördern das Verständnis untereinander und berufsübergreifend. Die 3D-Drucktechnologie ist in erster Linie für die Konstrukteure von Müller Martini ein zusätzlicher und spannender Bestandteil ihrer Arbeit.

Der Einsatz der 3D-Drucktechnik bei Müller Martini erfuhr 2019 einen ordentlichen Schub. Zahlreiche Ingenieure und Fachleute entwickelten zunehmend Interesse und loteten zunehmend mit grosser Neugier die Möglichkeiten aus. Unsere Geräte arbeiten mit Filament – sie verschmelzen also Kunststoff, der ab Rolle zugeführt wird. In der Regel erhalten wir die Aufträge von der Technikabteilung, die beispielsweise ihre Ideen veranschaulichen will, um deren Machbarkeit zu prüfen oder eine Kollisionskontrolle durchzuführen. Dank des 3D-Drucks erhalten die Ingenieure die Antworten auf ihre Fragen rascher, als wenn die Prototypen mechanisch hergestellt werden müssten. 



Die Stütze (links) und der Blasluftfinger sind klassische Beispiele, wie 3D-Druck bei Müller Martini genutzt wird. Die Prototypen wurden im 3D-Druck hergestellt, die Serienteile indes werden im Kunststoffspritzverfahren hergestellt. Sie kommen in Sammelheftern zum Einsatz.​

3D-Druck ist Alltag für die Konstrukteure
Unsere ersten Gehversuche im 3D-Druck reichen in das Jahr 2013 zurück, als die Geräte erstmals für weniger als 1000 Schweizer Franken zu haben waren. Grund genug, zuerst privat und dann auch in der Firma einen 3D-Drucker zu kaufen und uns mit der Technik vertraut zu machen. Der Phase mit Tüfteln und Probieren folgte rasch die Erkenntnis, auf das neue Fertigungsverfahren regelmässig zurückzugreifen und es in der Ausbildung der Konstrukteure einzusetzen. Im ersten und zweiten Lehrjahr erwerben sie sich die Grundlagen, danach schwärmen sie aus in die Abteilungen. Die 3D-Drucktechnik gehört zum Alltag der lernenden Konstrukteure. Sie müssen in der Lage sein, 3D-Teile zu konstruieren, die auf dem 3D-Drucker tatsächlich herstellbar sind. Diese Ausbildung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit unseren Ingenieuren, die über reichlich Erfahrung im 3D-Druck verfügen.

Am Anfang fertigten wir Einzelstücke für Modelle. Später weckte das neue Verfahren die Aufmerksamkeit der Ingenieure, und wir begannen nach und nach, Prototypen herzustellen. Ein bekanntes Beispiel ist die Klammer der Versandsystemkette. Heute verfügen wir über drei Drucker, mit denen wir auf der Fläche DIN A4 bis zu 200 Millimeter hohe Bauteile produzieren können. Rückblickend stellen wir ohne Übertreibung fest, dass das 3D-Druckverfahren das Versuchs- und Prototypenwesen bei Müller Martini revolutionierte – auch, weil die Wege bei uns kurz und die 3D-Drucker schnell einsatzbereit sind.

Kein Umkrempeln, aber eine spannende Ergänzung
Das Innenleben der Müller Martini-Maschinen wird laufend hinterfragt auf der Suche nach Veränderungen, die sowohl Gewicht als auch Kosten reduzieren könnten. Die Möglichkeiten, die durch die 3D-Drucktechnologie entstehen, fliessen zunehmend in diesen Prozess ein. Mit dem bemerkenswerten Resultat, dass bei einigen Bauteilen der Kunststoff das Metall sogar zu verdrängen vermochte. Das wird aber eher die Ausnahme bleiben, denn aufgrund der Beanspruchung im Dauerbetrieb werden die mechanischen Teile auch in Zukunft vorwiegend aus Metall bestehen. 

Kommt dazu, dass der 3D-Druck in punkto Präzision nicht genügt. Wenn es genau (und auch schön) sein muss, ist die mechanische Bearbeitung nach wie vor das Mass der Dinge. Insofern wird die 3D-Drucktechnologie den Beruf der Konstrukteure nicht umkrempeln, sondern eine spannende Ergänzung darstellen – vor allem auch in der Ausbildung bei Müller Martini. 3D-Druck ist übrigens noch nicht Bestandteil des Lehrplans der Ausbildung für Konstrukteure, das wird erst in einigen Jahren der Fall sein.


Das Saugerrohr (rechts als Modell, links das Endprodukt) mit seinem Hohlraum und der komplexen Form ist geradezu prädestiniert für den 3D-Druck. Es Teil ist im ProLiner verbaut und dies in geringer Anzahl, weshalb es serienmässig mittels Metall-3D-Drucker produziert wird.​

Prototypen ja, Massenproduktion nein
Versuchsteile sind der vorwiegende Verwendungszweck des 3D-Drucks bei Müller Martini. Wir produzieren nichts, was verbaut wird, und wir haben auch nicht vor, eine 3D-Druckerfarm aufzubauen. Wird ein bisher mechanisch hergestelltes Bauteil tatsächlich von einem 3D-Druckteil abgelöst, besorgt ein spezialisierter Lieferant die Herstellung – unabhängig davon, ob Kunststoff- oder Metalldruck zur Anwendung kommt. 

Noch ist die 3D-Drucktechnologie für die Massenproduktion nicht ausgereift, grössere Serien nehmen zu viel Zeit in Anspruch und sind deshalb zu teuer. Entsprechend können in naher Zukunft wohl vor allem Einzelteile von Müller Martini-Maschinen für die 3D-Druckherstellung in Betracht gezogen werden. Der 3D-Druck kann zum Beispiel dann eine Alternative sein, wenn sich aufgrund geringer Stückzahl die Herstellung einer (Spritz-)Gussform nicht lohnt.

Ihre
Roger Hochuli & Janick Suter
Berufsbildner Konstrukteur & Automation 
22.09.2020 Roger Hochuli Berufsbildner