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16.06.2020 / Ronald Reddmann

Serie «Printprodukte und unsere Sinne» (II): Papier ist nicht gleich Papier

Der Tastsinn ist ein faszinierendes Wahrnehmungssystem. Schon im Mutterleib und kurz nach der Geburt gehen Babys auf haptische Entdeckungstouren. Diese Erlebnisse speichern wir Menschen in unserem Hirn. So lernen wir sehr früh, die Umwelt über unsere Hände zu begreifen. Printprodukte haben den grossen Vorteil, dass sie diesen wichtigen Sinn ansprechen und haptische Erlebnisse ermöglichen. Nutzen Sie die zahlreichen Möglichkeiten, diese Effekte zu verstärken! 

Erinnern Sie sich auch an jene glücklichen Momente in Ihrer Kindheit, als Sie zur Belohnung oder als kleines Geschenk eine bunte Zeitschrift mit einem aufgeklebten oder einfolierten Gadget bekamen? Gespannt rissen Sie das Plastiksäcklein auf, in dem sich das «kleine Extra» befand. Obwohl es sich dabei rückblickend häufig um einen «Schnickschnack» handelte, freuten wir uns riesig über diesen Mehrwert. 

Solche sogenannten Onpack-Artikel sind ein klassisches Mittel der Verkaufsförderung und verdanken ihren Erfolg unserer Freude an haptischen Erlebnissen. Diesen und weiteren Gestaltungs- und Veredelungsmöglichkeiten gehen wir in diesem Blog auf den Grund. Doch zunächst ein paar wissenschaftlich belegte Fakten zum hohen Wert der Haptik.

Haptische Werbung wirkt nachhaltiger
Haptische Werbung hat eine nachhaltigere Wirkung auf Konsumenten. Dies hat die zentrale Forschungsabteilung Media Market Insights (MMI) von Burda Media neurowissenschaftlich belegt. Getestet wurden das Aufmerksamkeitsniveau, die emotionale Aktivierung, die Relevanz der Werbeformen für die Teilnehmenden (Engagement) und die Verankerung im Langzeitgedächtnis. Zum Einsatz kam dabei die Steady State Topography (SST) – eine Methode, elektrische Veränderungen in den Gehirnregionen misst. 

Das Ergebnis: Die Aufmerksamkeitsraten bei Anzeigen mit erhabenen Oberflächen waren im Vergleich zu klassischen Printanzeigen um 52 Prozent höher. Die emotionale Wirkung im Gehirn, die besonders wichtig ist für die Einordnung als relevante Information, war sogar fast zweieinhalb Mal höher. Das führte ebenfalls zum Effekt, dass 30 Prozent der Testpersonen die Informationen der haptischen Anzeigen auch noch nach mehreren Tagen wiedergeben konnten. 

Damit wurde erstmals nachgewiesen, dass durch die haptische Wahrnehmung gedruckte Informationen mit Emotionen belegt werden und der Betrachter diese Informationen dadurch aufmerksamer wahrnimmt. Oder wie es der Haptik-Papst Olaf Hartmann ausdrückt: «Menschen sind multisensorische Wesen – unser Gehirn stuft multisensorische Signale als relevanter und glaubwürdiger ein.»

Es gibt eine Vielfalt von Techniken, um Drucksachen haptisch aufregend zu machen: Spezielle Bedruckstoffe, Veredelungsformen und Gadgets wecken Emotionen und erzielen Wirkung.


1. Bedruckstoffe
Als «Bedruckstoff» bezeichnet man das Material, das in verschiedenen Druckverfahren bedruckt werden kann. Neben dem klassischen Papier lassen sich auch Klebefolien, PVC- und Polypropylen-Materialien, Karton und weitere Substrate bedrucken. 

Papier ist nicht gleich Papier: Die Papierindustrie kennt rund 3000 Papiersorten. Diese werden vier Hauptgruppen zugeordnet: grafische Papiere, Papier und Karton für Verpackungszwecke, Hygienepapiere sowie technische Papiere und Spezialpapiere. Jedes Papier vermittelt per se ein haptisches Erlebnis, wenn man es in die Hand bzw. zwischen die Finger nimmt. Unsere Sinneszellen senden beim Ertasten von Papier automatisch Informationen ans Hirn. Diese lösen im Normalfall positive Reaktionen aus. Denn das Erfühlen von Papier wird als angenehm empfunden. Deshalb lohnt es sich, schon bei der Wahl des zu bedruckenden Materials den Rat eines Profis beizuziehen.

Folienverpackung von Zeitschriften: Die meisten Magazine werden in Plastikfolie verschickt. Das hat den Vorteil, dass der ersehnte Lesestoff unbeschadet ankommt, dass das Cover sofort sichtbar ist und dass Beilagen nicht rausfallen. Die Folienverpackung steht immer wieder in der Kritik. Deshalb hat die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) die Ökobilanzen der Zeitschriftenverpackungen geprüft einbauen. Ihre Untersuchungen zeigen, dass die Verpackung in Kunststofffolien eine rund 20 Prozent bessere Ökobilanz aufweist als der Versand in Couverts. Die Empfänger dürfen sich also weiterhin guten Gewissens auf ihr folienverpacktes Lieblingsmagazin freuen.

2. Veredelungen im Druckprozess und der Weiterverarbeitung
Im Druckprozess selber gibt es ebenfalls eine ganze Reihe an Veredelungsmöglichkeiten. Alle haben den Effekt, dass sie den Tastsinn erfreuen und damit positive Gefühle gegenüber dem Printprodukt wecken. Die folgende Auflistung ist nicht abschliessend und soll vor allem dazu inspirieren, mit einfachen Mitteln das haptische Erlebnis zu verstärken.

Prägungen: In das zu bedruckende Material lassen sich beliebige Elemente prägen. Vereinfacht ausgedrückt entstehen durch den Vorgang beim Material erhabene Stellen. Der Effekt ist belegt, aber auch im Selbsttest wahrnehmbar. Kaum jemand kann es sich verkneifen, eine offensichtlich erhabene Stelle zu berühren. Bei den Prägearten unterscheidet man unter anderem die Folienprägung und die Blindprägung.

Lacke: Die Auswahl an verschiedenen Drucklacken ist gross. Alle haben gemeinsam, dass sie Druckergebnisse vollflächig oder punktuell veredeln. Auch haptische Erlebnisse lassen sich mit Lacken erzielen. So verführen zum Beispiel Strukturlacke oder Glitterlacke zum Berühren und vermitteln positive Gefühle. 

Stanzungen: Bei Stanzungen werden beliebige Formen aus dem Material ausgestanzt. Das sieht besonders schön aus und fördert ebenfalls den Reiz, die Drucksache zu ertasten beziehungsweise mit den Fingerkuppen über die ausgestanzten Stellen zu fahren. 

Umschlagfolierung und Bezugsstoffe: Je nach späterem Anwendungsfall und Zweck des finalen Produktes werden in der Weiterverarbeitung in der Regel die äusseren Oberflächen der Printprodukte, also zum Beispiel der Umschlag bei einem Softcover- oder die Hartdecke bei einem Hardcover-Buch speziell veredelt. So können beispielsweise Softcover-Umschläge mit verschiedenen Folien (glänzend, matt, strukturiert) laminiert werden. Auch im Hardcover-Bereich gibt es neben bedruckten Papieren eine Vielzahl ausgefallener Bezugsstoffe wie Leder, Leinen oder spezielle Gewebe, um dem Tastsinn des späteren Nutzers einen besonderen Effekt zu bieten.

3. Gadgets
Onpack- oder Inpack-Artikel bei Zeitschriften:
Nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene lieben die kleinen Beigaben zu Magazinen oder Zeitschriften. Man unterscheidet «Onpack-Artikel und «Inpack-Artikel». Die Onpack-Artikel sind auf der Titelseite der Zeitschrift befestigt und sofort sichtbar. Dabei handelt es sich beispielsweise um Mini-Spielzeugs, Sticker oder Plastikfigürchen für Kinder oder um Ratgeber-Booklets, CD oder andere Gadgets bei Frauen- oder Fachmagazinen. Die Inpack-Artikel befinden sich in der Zeitschrift drin. Gemeint sind zum Beispiel Müsterchen von Hautcrèmes oder Parfüm oder eingeklebte Karten mit Gutscheinen oder Bestellmöglichkeiten. 

Es ist ein Fakt, dass Onpack-Artikel Begehrlichkeiten wecken und den Kaufreiz erhöhen. Auch Inpack-Artikel sind oft besser als jeder Werbespot, denn sie belohnen unser Hirn und versetzen uns in eine wohlwollende Haltung. Da wir gewissermassen kostenlos etwas geschenkt bekommen haben, sind wir eher geneigt, uns als Dank dafür mit dem Kauf des Produktes zu revanchieren.

Die Gadget-Strategie im Direktmarketing: Auch im Direktmarketing und im Fundraising setzen Marketingprofis auf Gadgets als aufwertende Elemente. Sie zielen alle direkt auf unseren Tastsinn ab. Sobald wir in einem Couvert einen Gegenstand ertasten, ist unsere Neugierde geweckt und der Drang gross, das Couvert zu öffnen. Damit ist bereits die erste Hürde genommen. 

Das Fazit: Dank ihrer haptischen Wahrnehmung lösen Drucksachen per se Emotionen aus. Unter diesem Aspekt sind sie den digitalen Medien weit überlegen. Mit unterschiedlichen Techniken und der bewussten Wahl des Materials lassen sich diese wirksamen Effekte weiter verstärken. 


Lesetipps aus dem Müller Martini-Kundenmagazin «Panorama» 3/2017

Ihr
Ronald Reddmann
Produktmanager Klebebindesysteme Müller Martini