02.03.2023 / Martina Reinhardt

Die Druckindustrie ist ganz schön «smart»

«Next Level Automation» lautet das Motto der diesjährigen Hunkeler Innovationdays, also die Weiterentwicklung der Automatisierung – und zwar dahingehend, dass nicht nur einzelne Systeme oder Prozessschritte automatisiert, sondern viele Einzelschritte zu einem komplexen Ganzen vernetzt werden. Smart Factory – die schlaue Fabrik – heisst das Zauberwort.
 
Ein kleines, visionäres Video auf der Hunkeler-Pressekonferenz zeigte, wie so eine «schlaue Fabrik» aussehen könnte: ein durchgängiger Prozess in klinisch reiner Umgebung vom Auftragseingang bis hin zum Versand der Ware, Prozess- und Qualitätskontrolle inklusive. Manuelles Eingreifen des Bedieners gehört der Vergangenheit an. Fertigungsanlagen und Logistiksysteme organisieren sich weitgehend selbst, um die gewünschten Produkte herzustellen und zu händeln.
 
Komplexe Verzahnung verschiedenster Systeme
Wir sprechen also von einer höchst komplexen Verzahnung verschiedenster Systeme, die automatisch genau zum richtigen Zeitpunkt genau die richtige Information erhalten, welche Aufgabe nun zu erledigen ist – und diese dann auch selbsttätig und präzise ausführen.
 
Die Vorteile einer solch hochautomatisierten, ja autonomen Produktion sind klar: Die Produktivität steigt, wenn nicht mehr an jedem Arbeitsschritt Hand angelegt werden muss und alle Prozessschritte wie bei einem gut geölten Räderwerk ineinandergreifen. Fehler, die vor allem dann entstehen, wenn der Workflow unterbrochen wird, werden vermieden, die durchgängig integrierte Qualitätskontrolle sorgt für eine gleichbleibende Produktqualität. Reklamationsraten sinken und die Kosten angesichts des entsprechend niedrigen Personalbedarfs sowieso. Das klingt fast zu schön und zu futuristisch, um wahr zu werden, oder?
 
Ein Neudenken der Fertigung ist zwingend
Natürlich haben es die Begriffe Digitalisierung, Industrie 4.0, Finishing 4.0 und Smart Factory längst in die grafische Industrie geschafft, die zwar gern als «Schwarze Kunst» die traditionelle Fahne hochhält, aber ebenso sachkundig und souverän auf Highend-Technologien setzt. Und natürlich besteht grosse Notwendigkeit, sich mit diesen Themen in der Druckindustrie auseinanderzusetzen. Sinkende Auflagen, dafür aber eine Vielzahl kleiner Jobs, der Mangel an Fachkräften und natürlich Kostensteigerungen an allen Ecken und Enden machen ein Neudenken der Fertigung nahezu zwingend.
 
Die Hunkeler Innovationdays zeigten einmal mehr, wie das gehen kann: Die mit knapp 100 Ausstellern vergleichsweise kleine Messe präsentiert niemals das grosse, breite Spektrum, das die grafische Industrie zu bieten hat, sondern will vor allem eines sein: State of the Art in Sachen Automatisierung und Vernetzung, um genau den eben beschriebenen Herausforderungen begegnen zu können. Und dazu braucht es in der heterogenen Welt der Druckindustrie Partner, die zusammenarbeiten, Schnittstellen öffnen, um eine solch enge Verzahnung hinzubekommen. Diese zusammenzubringen, gelingt den Veranstaltern ausnehmend gut.
 
Variabilität ist Trumpf
Die Basis fast aller Anwendungen bildet nach wie vor der Inkjet-Druck von der Rolle in mittlerweile bahnbrechenden Geschwindigkeiten und makelloser Qualität, der zu den unterschiedlichsten Produkten verarbeitet wird. Dabei spielt der Digitaldruck natürlich seine besondere Stärke aus: Variabilität ist hier Trumpf. Kein Produkt muss mehr aussehen wie das andere. Dass daraus dann aber ebenso individuelle, von Exemplar zu Exemplar variierende Produkte werden, dafür sorgen hochautomatisierte Weiterverarbeitungssysteme, bei denen Rüstvorgänge längst der Vergangenheit angehören.
 
Intelligente Software stellt sicher, dass jedes einzelne Exemplar an jedem Punkt seiner Entstehung genau die Behandlung erfährt, die es an dieser Stelle benötigt – und dass nicht eines durchs sprichwörtliche Raster rutscht. Spannend bei der diesjährigen Ausstellung war, dass das Denken in Insellösungen der Notwendigkeit zu offeneren Architekturen gewichen zu sein scheint. Auch wurden zunehmend vor- und nachgelagerte sowie übergreifende Prozesse in den Blick genommen.
 
Nun müssen die Lösungen nur noch umgesetzt werden
Müller Martini beispielsweise hat seine vollautomatische Linie zur Buchblockfertigung sowohl für Softcover als auch Hardcover nach vorn und nach hinten ergänzt: Der neue De-Stacker vereinzelt zu Beginn die gefalzten und vorverleimten Buchblöcke, während am Ende eine intelligente Sortierung der Buchblöcke erfolgt – wunschgemäss nach Hard- oder Softcover, nach Auftraggeber, nach Dringlichkeit oder, oder, oder… – das Ganze in einem Touchless Workflow.
 
Gastgeber Hunkeler wiederum hat nach eigenen Angaben auch die Logistik für Papier und Verbrauchsmaterialien sowie das Abfallmanagement und Recycling im Blick.
 
Alles in allem zeigten die HID: Die technologischen Lösungen sind da – oder werden in nicht allzu ferner Zukunft auf den Weg gebracht werden. Sie müssen nur (noch) smart genutzt werden.
 
Ihre
Martina Reinhardt,
Chefin vom Dienst «Deutscher Drucker»
 
02.03.2023 Martina Reinhardt Redakteurin Druckweiterverarbeitung, Deutscher Drucker Verlag