17.05.2022 / Knud Wassermann

Onlineprint muss neu gedacht werden!

Wie in der aktuellen Situation Chancen für Neues oder idealerweise sogar für Mehrgeschäfte entstehen können und worauf es dabei ankommt, zeigte das jüngste Online-Print-Symposium in München auf. Stichworte waren unter anderem: Kooperation statt Konkurrenz, Miteinander statt Nebeneinander, Wertigkeit statt Masse, «Mass Customization» statt Austauschbarkeit, Segmentierung statt Giesskannenprinzip.

Letztes Jahr musste das Online-Print-Symposium pandemiebedingt eine Zwangspause einlegen. Umso grösser war die Freude der Online-Print-Community, sich während zweier Tage wieder im Rahmen eines Face-to-Face-Events in München zu treffen, auszutauschen und zu vernetzen. 

Gut gewählt war auch die Location. Denn das Science Congress Center auf dem Campus der Technischen Universität München steht für Innovation und passte auch zum Motto der diesjährigen Veranstaltung «Start Up and Print Online!» Die Stimmung unter den 250 Teilnehmenden aus Europa und Übersee war nahezu euphorisch – die Freude, sich wieder direkt austauschen zu können, stand den Besucher(inne)n ins Gesicht geschrieben. Dafür sorgten unter anderem auch zwölf renommierte Referent(inn)en und sechs Start-ups, welche die Besucher(innen) mit ihren Ideen inspirierten.

Die Corona-Krise wirkte auch als Katalysator
Die Keynote am ersten Tag hielt Roland Keppler, seines Zeichens CEO von Onlineprinters, der einen Einblick in die Internationalisierung der Unternehmensgruppe gab. Die Erfahrungen aus den letzten zwei Jahren zeigten, dass die Corona-Krise die Onlineprint-Industrie nicht nur vor Probleme gestellt, sondern auch wie ein Katalysator gewirkt und anstehende Veränderungen beschleunigt habe. Für die kommenden Jahre machte Keppler folgende Einflussfaktoren als wesentlich aus: 
  • die Verschiebung der Kanäle, 
  • die durch Industrialisierung getriebene Konsolidierung des Marktes, 
  • die «Consumerization» (auf Deutsch könnte man auch Verbraucherorientierung sagen),
  • die gestiegenen Erwartungen der Kunden, 
  • das Thema Nachhaltigkeit auf allen Ebenen. 

Trotz der hohen Volatilität und fehlenden Planbarkeit sieht der CEO des Müller Martini-Kunden Chancen für die Branche, um das Wachstum weiter voranzutreiben. Alleine in den drei deutschsprachigen Ländern Deutschland/Österreich/Schweiz (DACH-Region) ist laut Keppler der Umsatz im B2B-Onlinedruck in den letzten fünf Jahren auf 2,5 Milliarden Euro angestiegen. Das entspricht aktuell etwa 20 Prozent des gesamten Marktvolumens – wobei sich Keppler mittelfristig einen Anstieg auf 50 Prozent vorstellen kann. 

Allerdings müsse die Branche daran arbeiten, Lieferfähigkeit und Bestellprozesse zu verbessern und einfach zu bedienende Designtools zur Verfügung zu stellen. Auch für Neueinsteiger hatte Keppler einen Tipp auf Lager: «Bestehende Prozesse lassen sich nicht eins zu eins in die digitale Welt umsetzen. Um hier erfolgreich zu sein, muss man die Abläufe neu konzipieren und gestalten.»

Die 08/15-Druckerei hat ausgedient
Nach dieser Keynote analysierte Bernd Zipper, CEO von zipcon consulting, die Entwicklungen und Trends der Onlineprint-Industrie in der DACH-Region. Die Prognosen für Onlineprinter waren im Jahr 2020 vielversprechend, doch dann kam die Pandemie. Um eine Krise in dieser Dimension zu überstehen, seien Mut und Resilienz gefragt. Gerade die Widerstandsfähigkeit mit all den dazugehörigen Eigenschaften könne letztlich wichtige Impulse für die weitere Unternehmensentwicklung freisetzen.

Zippers Resümee lautete: Onlineprint muss neu gedacht werden – und das gilt heute mehr als zuvor. Die Kunden verstehen die Onlinemechanismen, «Mass Customization» und Print on Demand. Somit sei Online für die Menschen zum «neuen Normal» geworden, womit auch die Ansprüche und Erwartungshaltungen deutlich gestiegen seien. Die Zeit der 08/15-Druckereien gehe aus seiner Sicht zu Ende, und gleichzeitig werde Print in Zukunft werthaltiger und wertvoller.

Der Weg zum erfolgreichen Onlineprinter
Für viele Druckereien, die noch nicht in den Onlinedruck eingestiegen sind, stellt sich die Frage, ob das überhaupt noch möglich ist. Mit welchen Herausforderungen man hier als «Autodidakt und Quereinsteiger» zu kämpfen hat, schilderte Thomas Völcker, Geschäftsführer der Münchener Onlinedruckerei Topp Digital. Ein guter Drucker sei nicht automatisch auch ein erfolgreicher Onlineprinter. Vielmehr benötige man ein umfassendes Know-how im E-Commerce mit all seinen Facetten wie Suchmaschinenoptimierung (SEO) und -marketing (SEA), und das brauche eben seine Zeit.

Der Weg dorthin sei holprig und auch mit Irrtümern gepflastert. Dazu gehören etwa die Annahmen, dass mit Plug&Play-Software-Tools alles ohne Adaptionsaufwand funktioniere, dass IT-Experten jedes Problem lösen können oder dass die Bekanntheit des Shops auch ohne Onlinemarketing erreicht werden könne. Aber auch die Chancen von Social Media wurden, so Völcker, oft unterschätzt. Insofern war die Lernkurve für das gesamte Team von Topp Digital durchaus anspruchsvoll, aber nach vier Jahren ist der Onlineshop sehr erfolgreich unterwegs und hat seine Nische im Etiketten- und Werbemittelbereich gefunden. 

Für den Erfolg brauche es heute mehr denn je MUT. Und das nicht im allgemeinen Sinne, sondern: Money, also Geld bzw. Budget, Unternehmertum – das heisst Ausdauer, Sorgfalt, Fleiss und Geduld – und Target, also Ziele, Zuversicht und Vision. Wobei das meiner Meinung nach nicht nur auf den Onlinedruck zutrifft. Insofern kann man auch als ganz konventioneller Drucker einiges vom Online-Print-Symposium mitnehmen, verstehen, wie der Onlinedruckmarkt tickt, und Ideen für den Einstieg sammeln. 

Der Termin für das nächste Online-Print-Symposium steht übrigens schon fest: 23./24. März 2023 – wiederum im Science Congress Center München.

Im nächsten Blog zum Online-Print-Symposium werden wir uns die Start-ups etwas genauer ansehen, die in München um die Gunst der Besucher(innen) gepitcht haben.

Ihr
Knud Wassermann, 
Chefredakteur «Graphische Revue» 
 
17.05.2022 Knud Wassermann Chefredaktor «Graphische Revue»