07.01.2020 / Knud Wassermann

drupa 2020 – hallo Zukunft!


Es ist wieder so weit: 2020 ist ein drupa-Jahr. Vom 16. bis 26. Juni trifft sich die internationale Druckindustrie in Düsseldorf und das bereits zum 19. Mal. Für mich ist es bereits die achte drupa – langsam, aber sicher gehöre ich zu den Veteranen der Branche. Was auch seine Vorteile hat. Man geht die Sache etwas ruhiger an, kann die Entwicklungen besser einordnen und absehen, welche Lösungen sich tatsächlich durchsetzen werden.

In der Vergangenheit wurde die Messe nur so mit Superlativen überhäuft. Oft wurde von den «Olympischen Spielen» der Druckindustrie gesprochen. Ganz unter dem Motto «dabei sein ist alles» – das gilt für Besucher und Aussteller gleichermassen. Die drupa ist zwar nach wie vor ein Besuchermagnet – und das mit einem hohen internationalen Besucheranteil von 75 Prozent. Allerdings sind die Besucherzahlen seit der Jahrtausendwende deutlich zurückgegangen.

In der Euphorie des Millenniumwechsels haben über 420'000 Besucher das Messegelände gestürmt und sich durch die Gänge gedrängt. Spätestens mit der Weltfinanzkrise 2008 ging es allerdings bergab – und zwar deutlich. 2016 waren es nur mehr 260'000 Besucher, welche die 17 Messehallen am Rheinufer besuchten. Interessant ist jedoch, dass die Ausstellerzahl trotz aller Fusionen und Pleiten unter den Zulieferern nur um etwa 100 auf rund 1800 zurückging.

Spiegelbild der Branche
Der Besucherrückgang ist weniger auf das Messeformat zurückzuführen, sondern ist vielmehr ein Spiegelbild der Branche – in der in den letzten 30 Jahren technologisch kein Stein auf dem anderen blieb. Ganze Arbeitsschritte wurden wegrationalisiert, und die zunehmende Produktivität hat den Wettbewerbsdruck weiter angeheizt. Das lässt sich auch nicht durch neue Besuchergruppen aus der Kreativszene auffangen. Zusätzlich kam es zu einer massiven Verschiebung in der Mediennutzung hin zum Internet und Social-Media-Kanälen – womit auch der Werbekuchen anders aufgeteilt wurde.

Die Zahlen zeichnen hier ein eindeutiges Bild – da muss man sich nichts vormachen. In Europa ist der Umsatz der grafischen Branche zwischen 2005 bis 2015 um 20 Prozent von 100 auf 80 Milliarden Euro zurückgegangen, und die Anzahl der Betriebe sank um 14 Prozent auf 110'000 (Quelle: Intergraf). 2020 dürfte der Branchenumsatz bei knapp über 70 Milliarden Euro liegen und sich dann gemäss Prognosen auf diesem Niveau einpendeln. Auch die Zahlen aus den USA liefern auch kein freundlicheres Bild. Dort ist das Druckvolumen im Akzidenzbereich seit 1995 um fast 50 Prozent zurückgegangen. So weit zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. 

Der Fokus hat sich verändert
Früher fuhr man zur drupa, sicherte sich eine neue Druckmaschine (oder was man sonst noch auf dem Wunschzettel stehen hatte), und mit dem Produktivitätsgewinn war auch der wirtschaftliche Erfolg für die nächsten Jahre gesichert. Die Technik war sozusagen das Geschäftsmodell. So einfach ist das heute nicht mehr. Darauf haben die Aussteller reagiert und stellen reale Anwendungen in den Mittelpunkt. Ganze Workflows werden durchgespielt und sogenannte End-to-End-Lösungen zeigen, welche Chancen und Differenzierungsmöglichkeiten sich damit auftun. 

2016 belegte HP eine ganze Halle und demonstrierte mit einer Vielzahl von Anwendungen, wo der Digitaldruck aktuell steht. Und auch bei Müller Martini wurden unter dem Messemotto Finishing 4.0 unterschiedliche Produktionsszenarien live durchgespielt. Als besonders spannend empfunden habe ich die formatvariable Herstellung von Softcover-Büchern – das Rüsten der Maschinen erfolgte ohne manuellen Eingriff «on the fly». 

Auf den Hunkeler Innovationdays 2019 zeigte Müller Martini dann mit dem erstmals der Öffentlichkeit präsentierten neuen Vorsatzbogenanleger, wie mit dem Duo Klebebinder Vareo/Dreischneider InfiniTrim auch Hardcover-Buchblocks in höchster Qualität industriell in Auflage 1 hergestellt werden können.

Was sind die Trends?
Vor jeder drupa stellt sich neuerlich die Frage, welche Themen die Veranstaltung prägen werden. Ich bin mir sicher, dass der Grad der Vernetzung im Rahmen von Industrie 4.0/Finishing 4.0 noch weiter zunehmen wird und somit in Zukunft vollkommen automatisierte Lösungen umgesetzt werden können. Dies ist notwendig, um den Anforderungen des Marktes nach Druckprodukten mit variablen Inhalten, Umfängen und Formaten zu entsprechen – und das bei kleinen bis mittleren Aufträgen. Im Druck haben wir sicherlich durch den Inkjetdruck einen Tipping-Point erreicht. Vorausgesetzt man hat die Druckvorstufe im Griff, lässt sich im Inkjetdruck eine offsetähnliche Qualität erzielen, und eine wirtschaftliche Produktion bis zu mehreren Tausend Exemplaren ist durchaus realistisch.

Ein Trend, den ich schon seit einigen Jahren verfolge, ist das Thema Veredelung – und zwar unter digitalen Vorzeichen. Damit lassen sich atemberaubende Drucksachen in Kleinstauflagen mit einer personalisierten Veredelung erstellen und das Ganze erstmals zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten. Darüber hinaus lassen sich mit den digitalen Tools bereits im Designprozess Veredelungen ausprobieren und austesten, womit sich Grafiker an das gewünschte Ergebnis herantasten können. Das sind genau die Dinge, die uns bisher fehlten, nämlich dass Print in einer digital dominierten Welt seine multisensorischen Stärken noch besser ausspielen kann und sich unsere Kunden am Markt besser differenzieren können. 

drupa – ein Pflichttermin
Klinken Sie sich ein, zwei, drei Tage aus dem Alltagsgeschäft aus und fahren Sie auf die drupa. Lassen sich von den Innovationen und Lösungen inspirieren. Ich bin mir sicher, dass Sie die eine oder andere Idee mitnehmen, wie sie Ihr Unternehmen zukunftsfitter machen können. Schauen Sie dabei aber auch über den eigenen Tellerrand hinaus, denn am Rand entstehen die sogenannten disruptiven Technologien, die einen massiven Einfluss auf Ihr bestehendes Geschäft haben werden. 

In diesem Sinne: Wir sehen uns im Juni in Düsseldorf!


Ihr
Knud Wassermann, Chefredaktor «Graphische Revue»