07.12.2021 / Frank Nitschke

«Die Fadenheft-Technik ist äusserst spannend»

Seit 20 Jahren arbeitet Frank Nitschke als Servicetechniker für Müller Martini in Deutschland. Damit er Kunden noch kompetenter betreuen kann, bildet sich der 48-jährige Klebebinde-Spezialist momentan in der anspruchsvollen Disziplin der Fadenheftung weiter.
 
Von meinem Zuhause in Berlin aus bereise ich nicht nur Deutschland, ich bin – wenn Not am Mann ist – auch immer wieder weltweit im Einsatz. Steht bei einem unserer Kunden eine Maschine still oder muss ein Ersatzteil verbaut werden, läutet bei mir das Telefon. Das können langfristig geplante Einsätze zum Beispiel für Upgrades oder auch kurzfristige Aufgebote für Notfälle sein. In den letzten 20 Jahren habe ich sehr gute und stabile Beziehungen mit unseren Kunden aufgebaut. Das Vertrauen muss stimmen und das erreichen wir mit zuverlässigem und kompetenten Service. 

Know-how sicherstellen
Jetzt hat mich eine neue Herausforderung gepackt. Seit kurzem lasse ich mich an unserem Hauptsitz in der Schweiz auf der Fadenheftmaschine Ventura ausbilden, damit ich zukünftig auch für diese Maschine Serviceeinsätze leisten kann. Insgesamt werde ich mehrere Wochen auf dieser für mich bisher völlig unbekannten Maschine geschult. Damit kann ich mein Know-how als Klebebinde-Spezialist sinnvoll erweitern. Denn die Fadenheftung und die Klebebindung haben ja viele Berührungspunkte und bei vielen unserer Kunden stehen auch beide Maschinentypen in der Halle. 

Ich mache diese Ausbildung aus zwei Gründen. Erstens erreichen viele unserer bisherigen Fadenheft-Profis bei Müller Martini langsam das Pensionsalter, und wir wollen genügend Nachwuchs nachziehen. Zweitens müssen wir, da die Fadenheftmaschine jetzt neu am Schweizer Hauptsitz von Müller Martini in Zofingen gebaut wird, auch das Know-how sichern und ausbauen, so dass wir langfristig diese Technologie anbieten und auch weiterentwickeln können. Meine persönliche Hauptmotivation: Ich möchte unsere Kunden auch weiterhin sehr gut, kompetent und noch umfassender betreuen.

Lernen an der Maschine
In der Klebebindung muss man ja teilweise auch sehr genau arbeiten, jedoch muss ich nach den ersten Eindrücken sagen: Mit der Fadenheftung geht es jetzt ans Eingemachte. Neben etwas Theorie arbeiten wir während der Ausbildung natürlich vor allem an der Maschine. Die Kollegen hier in der Montage sind alle sehr hilfsbereit und motiviert, mir die wichtigen Infos weiterzugeben. Ich fühle mich sehr wohl in Zofingen, kenne natürlich auch viele Leute schon lange und wir haben menschlich einen guten Umgang miteinander. Das ist auch wichtig, da wir ja einige Wochen Zeit zusammen verbringen.

Nach der zweiten Schulungswoche durfte ich schon die erste «Hochzeit» zelebrieren. So nennen wir den Vorgang, wenn der Anleger mit dem Heftzentrum der Fadenheftmaschine «verheiratet» wird. Ich durfte selber mit Hand anlegen und es hat alles geklappt, was mich sehr freut. Wir arbeiten hier in einer hochtechnisierten Umgebung. Die Fadenheft-Technik ist äusserst spannend, aber auch diffizil. Man benötigt sehr viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl, damit die Bücher zum Schluss auch einwandfrei gebunden sind.

Sowohl die Montage als auch der Betrieb einer Fadenheftmaschine ist hochkomplex. Nur eine kleine Fehleinstellung kann einen Riesenschaden verursachen. Mein Ausbildner Heinz Wüthrich, der die Klebebinder- und Fadenheftmontage in Zofingen leitet, warnte mich während der Schulung zum Beispiel mit folgenden Worten: «Wenn du hier an der Schraube einen Millimeter zu weit drehst, zerstört das beim Betrieb den kompletten Heftsattel.» Da trägt man schon 'ne rechte Verantwortung. 

Diffizile Inbetriebnahme
Besonders spannend war es für mich, die Inbetriebnahme einer so anspruchsvollen Maschine zu lernen. Denn genau hier werden mich meine Kunden später mit Fragen löchern. Auch für sie ist es vor allem interessant zu wissen, wie sie die Maschine korrekt und erfolgreich einsetzen können. Um Ihnen einen Einblick zu geben, wie diffizil die Fadenheft-Technik ist, beschreibe ich Ihnen ein eindrucksvolles Erlebnis aus meiner Inbetriebnahme-Schulung.

Im Heftzentrum gibt es sogenannte Nadelführungsklötzchen, durch die an einer Stelle die Nadel, an anderer Stelle der Faden durchgeführt wird. Jedes dieser 14 Klötzchen muss einzeln eingebaut, eingestellt und eventuell nachgeschliffen werden. Ob die Einstellungen wirklich gut sind, sieht man im Regelfall erst, wenn man mit der Maschine die ersten Buchblöcke heftet.

An meiner Schulungsmaschine waren die Klötzchen recht gut eingestellt…bis auf eines! Bei diesem Klotz ist der Faden ab einer Geschwindigkeit von 150 Takten immer wieder gerissen. Also musste ich ihn jedes Mal ausbauen, nachschleifen und wieder einbauen. Die benötigte Zeit für den Einbau eines solchen Klotzes kann zwischen fünf Minuten und bis zu 30 Minuten betragen. Je nachdem, ob man die richtige Position gefunden hat. Hat man sie endlich gefunden und zieht dann die Schraube an, kann sich bei diesem Vorgang wieder alles verstellen. Und man fängt wieder von vorne an. Bei dieser Einstellarbeit habe ich lernen müssen, sehr viel Geduld zu haben. Ich war überrascht, wie extrem genau man hier arbeiten muss, damit die gesamte Maschine einwandfrei funktioniert.

Immer wieder etwas Neues
Ich habe also während der Schulung schon das ein- oder andere Mal ziemlich geschwitzt. Aber mir gefällt es sehr, dass sich mein Job immer wieder wandelt und ich Neues dazulerne. So ist auch diese Schulung eine neue, tolle Herausforderung. Mein gesamter Job hat sich im Laufe der letzten 20 Jahre natürlich massiv verändert. Früher erhielt ich einen Auftrag, ging zum Kunden, reparierte die Maschine und das wars. Heute bieten wir neben den klassischen Reparaturarbeiten sehr viele weitere Service-Dienstleistungen an. Wie zum Beispiel Inspektionen und Wartungen. Davon hat vor 20 Jahren noch kaum jemand geredet. Heute sind diese Arbeiten für uns und unsere Kunden sehr wichtig. Damit schützen sie ihre Investition und können möglichst lang auf den bewährten Maschinen produzieren. 

Ein weiterer Unterschied zu früher: Ich könnte meinen Job heute gar nicht mehr ohne Laptop machen. Dort haben wir viele wertvolle Tools zur Verfügung, um unsere Arbeit professionell durchzuführen. Der Kunde will ja im Anschluss an eine Inspektion wissen, wie es seiner Maschine geht und was wir tun können, damit sie weiterhin zuverlässig produziert. Nun wird es hoffentlich nicht mehr lange dauern, bis ich so die erste Fadenheftmaschine betreuen darf. Darauf freue ich mich schon sehr. 

Herzlich Ihr
Frank Nitschke
Servicetechniker Müller Martini Deutschland