27.09.2022 / Frank Baier

Lesezeichenband – Seitenfinder der Erinnerung

Jeder, der sich einem gedruckten Fachbuch, Sachbuch, Kunstbildband, Urlaubsreiseführer oder Belletristikwerk hingibt, stellt sich wohl zum Ende der Lektüre der ersten Seiten die Frage: Wie finde ich die Seite wieder, auf der ich soeben war? An welcher Stelle genau schlage ich das Buch wieder auf?
 
Gewöhnlich kann man die Klappe des Schutzumschlags oder des Klappenumschlags einschieben und zur beliebigen Zeit an der gewählten Stelle der jeweiligen Seite ganz bequem weiterlesen. Mit dem Erwerb der favorisierten Publikation im Buchladen vor Ort legt die Buchhändlerin dem glücklichen Kunden mitunter auch ein separates Lesezeichen mit einem mehr oder weniger schönen Bildmotiv bei. Nach dem Kauf eines Belletristikbuchs in meinem letzten Urlaub in einer Buchhandlung auf der Insel Rügen in der Ostsee bekam ich sogar eine Kunstpostkarte nebst Erinnerungsstempel dazu.
 
Umfassende Auswahl
Verlage, denen eine schlüssige Gestaltung und ein hoher Gebrauchswert ihrer Bücher wichtig ist, setzen oft mit einem Lesezeichenband einen für die Lektüre durchaus sinnvollen Akzent. Dabei handelt es sich um ein 4 bis 5 mm, manchmal 8 mm schmales Stoffband, das meist an der oberen Kante des Buchblockrückens befestigt wird und als fest integriertes Lesezeichen dient. Früher bestanden die auch als Zeichenlitze bezeichneten Lesezeichenbänder aus Seide, heute sind sie aus Baumwolle – oder aus einer Chemiefaser auf Zellulosebasis, der Viskose-Unterart Rayon. Mehrere Fachgrosshändler für Druck-Weiterverarbeitung stellen Lesezeichenband als Rollenware – ab 100 m – in diversen Farben zur Verfügung.
 
Zudem ist das Konfektionierungsprodukt weniger Verbrauchsmaterial, sondern eher Dekorationsmaterial zugunsten von Ästhetik und Design. Bestellen lässt sich der Artikel mittlerweile in vielen Farben – ob es nun klassisch blau, rot, schwarz ist oder vielleicht altgold, anthrazit, flaschengrün, maisgelb, stahlblau. Immerhin wird Lesezeichenband hinsichtlich der Farbgebung auf das ebenfalls aus Baumwolle oder Kunstseide bestehende Kapitalband, auf Vorsatz und Nachsatz, den Bucheinband – und dadurch grundsätzlich auf die Gestaltung des Buches abgestimmt.
 
Typische Anwendung: kirchliche Editionen
Zahlreiche Buchhersteller integrieren heute Lesezeichenband in ihre Hardcover-Exemplare. Zeichenlitze ist ein haptischer Gedankenhelfer zum Buchinhalt, ein schmeichelnder Seitenfinder der Erinnerung, ein Verweilelement des Lektüre-Augenblicks. Mittlerweile sind viele kirchliche Editionen wie die klassische Bibel oder auch Gebets- und Gesangsbücher ohne Lesezeichenband nicht mehr wegzudenken. Wiederum gibt es auch spezielle Sonderformen, die manuelle Fertigungstätigkeiten erfordern.
 
Gemeinsam von der Druckerei C. H. Beck im deutschen Nördlingen und der Buchbinderei J. Steinbrener KG im österreichischen Schärding wurden beispielsweise kürzlich die «Reise- oder Kapellenmissale» (siehe Foto) hergestellt. Diese kirchliche Edition wurde mit sechs 18 mm breiten Lesezeichenbändern sowie zehn Registertaben aus Rindspaltleder aufgewertet. Gegenüber solchen handwerklichen Fertigungen steht die industrielle Auflagenherstellung von Hardcover-Exemplaren.
 
Ribbon – die vollautomatische Lösung von Müller Martini
Die vollautomatisierte Leseband-Einlege-Maschine Ribbon von Müller Martini zum Einlegen des Lesezeichenbandes macht die Hardcover-Produktion wirtschaftlich perfekt. Die Ribbon wird als Solo-Maschine oder in Inline-Anlagen zwischen Dreischneider und Buchlinie eingesetzt und zieht zwei (optional drei) Lesezeichenbänder straff in den Buchblock ein.
Dank ihrer hohen Automatisierung erreicht sie kürzeste Rüstzeiten. Auch bei grossen Formaten schränkt sie die Produktionsgeschwindigkeit der Buchlinie Diamant MC nicht ein.
 
Ihr
Frank Baier
Chefredakteur «Bindereport»
 
27.09.2022 Frank Baier Chefredakteur «Bindereport»