25.02.2020 / Tina Floder

Ich habe immer mit gedruckten Büchern gelernt

Ich weiss: Die grafische Industrie ist eine Männerbastion. Doch darüber habe ich mir noch nie viel Gedanken gemacht und bin zuversichtlich, dass ich als Drucktechnologin meinen Weg in der Arbeitswelt gehen werde. 

Von meinem familiären Hintergrund her habe ich keinen Bezug zur grafischen Branche. Aber ich habe mich schon immer mehr für Technik als für Hauswirtschaft interessiert. Das liegt wahrscheinlich an meinen Genen, ist mein Vater doch KFZ-Mechaniker. Und so hatte ich in der 1. Klasse – im Gegensatz zu den anderen Mädchen – auf meinem Schulranzen nicht irgendwelche Blümchen oder Trickfilmfiguren, sondern einen VW Käfer.

Der Berufsschullehrer als Wegweiser
Dass ich Jahre später nach einem mittleren Bildungsabschluss und einer dreijährigen Lehre als Mediengestalterin auch noch einen akademischen Weg eingeschlagen habe, verdanke ich meinem Berufsschullehrer. Er motivierte mich für das Studium der Druck- und Medientechnologie – und ich stellte keinerlei Überlegungen für eine andere Studienrichtung an. Also erarbeitete ich mir innerhalb eines Jahres die Fachhochschulreife und immatrikulierte mich danach an der Hochschule der Medien in Stuttgart. 

Während meines Studiums beschäftigte ich mich mit der kompletten grafischen Palette – von der Vorstufe über sämtliche konventionellen Druckverfahren, den Digitaldruck, die Weiterverarbeitung bis zu den unterschiedlichsten Werkstoffen sowie von Physik über Chemie, Elektrotechnik bis zu Mechatronik. Ein äusserst breitgefächertes Studium, das zwar sehr anspruchsvoll ist, mir aber grossen Spass macht.

Eigentlich müsste ich ja sagen «gemacht hat». Denn ich habe alle erforderlichen Lehrgänge besucht und sämtliche Prüfungen erfolgreich abgeschlossen. Nun muss ich «nur» noch meine Bachelor-Arbeit abgeben, um mich in Zukunft Bachelor of Engineering nennen zu können. Derzeit bin ich im Endspurt für diese Arbeit, die ich bis März 2020 bei meinem Professor einreichen muss.

Ein Stipendium für besondere Begabung – und soziales Engagement
Dass ich mich in den letzten zwei Semestern noch besser aufs Lernen für mein Studium konzentrieren konnte, verdanke ich dem Deutschland-Stipendium, das ich im Sommer 2018 bekommen habe. Dieses wird seit 2011 vergeben und zur Hälfte von privaten Förderern, darunter Unternehmen, Einzelpersonen oder Stiftungen, und vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. Die Stipendien werden an besonders begabte und leistungsstarke Student(inn)en vergeben, die sich ausserdem durch gesellschaftliches und soziales Engagement auszeichnen.

Ich habe mich natürlich wahnsinnig über das Stipendium gefreut, erlaubte es mir doch, meine Nebentätigkeiten – um mein Studium zu finanzieren arbeitete ich zeitweise als Briefträgerin, Mediengestalterin, im Marketing und bei einem Innenausbauunternehmen – etwas zu reduzieren und mich stärker auf die Hochschule zu fokussieren.

Stets ein Endprodukt in den Händen
Dass die grafische Industrie auch schon bessere Zeiten gesehen hat, nicht mehr als Boom-Branche zu sehen ist und deshalb insbesondere bei der jungen Generation auch nicht als besonders reizvoll gilt, hat mich nie interessiert. Mich reizt schlicht und ergreifend – «ergreifend» durchaus im doppelten Sinne des Worts – dass man in dieser Branche stets ein Endprodukt in den Händen halten kann. 

Ich finde es auch spannend, den gesamten Herstellungsprozess eines Printprodukts von der Idee bis zur Auslieferung zu begleiten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eines Tages keine Bücher mehr geben wird. Und ich selber habe während meiner gesamten Zeit an der Hochschule ausschliesslich mit Print-Ausgaben sowie Büchern gelernt.

Mein Herz an den Verpackungsdruck verloren
Allerdings beschäftige ich mich in meiner Bachelor-Arbeit nicht mit Büchern, sondern mit dem Verpackungsdruck – konkret mit der Druckfarben-Reduzierung im Wellpappen-Direktdruck. Passend zu diesem Thema absolvierte ich mein Praxissemester in einem Verpackungsunternehmen mit Tiefdruckanlagen. Hier durfte ich erste Erfahrungen im Bereich Prozessoptimierung, Projektmanagement, Color Management sammeln. Darüber hinaus konnte ich die Inbetriebnahme einer Tiefdruckmaschine mitbegleiten.

Im Verpackungsdruck, der als einziges Segment in der Printindustrie ja immer noch wächst und der mich wegen seiner verschiedenen interessanten Facetten fasziniert (etwas überspitzt könnte man sagen, ich hätte mein Herz an den Tiefdruck verloren), sehe ich auch meine berufliche Zukunft. Sei es in den Bereichen Prozessoptimierung, Kundenbetreuung oder Kommunikationsstütze zwischen Grafikdesignern und Produktion. Mein klares Ziel ist, eines Tages eine Führungsposition in einem Produktionsunternehmen besetzen zu können. 

Dass die grafische Industrie eine Männerdomäne ist und es nur wenige Frauen in leitenden Positionen gibt, ist mir zwar bewusst, doch darüber zerbreche ich mir den Kopf nicht. Denn ich halte mich für sehr zielstrebig, verfüge über den nötigen Ehrgeiz, bin topmotiviert, liebe Herausforderungen und bin daher zuversichtlich, dass ich meinen Weg in der Arbeitswelt machen werde. Noch habe ich meine Fühler nicht nach konkreten Stellen ausgestreckt, und ich werde vielleicht etwas suchen müssen, bis ich das Richtige finde, aber ich weiss, dass Drucktechnolog(inn)en gesucht werden.

Die dritte drupa vor Augen 
Gut möglich deshalb, dass ich im kommenden Juni meine dritte drupa nach 2012 und 2016 statt als Azubi oder Studentin bereits als Repräsentantin eines Print-Unternehmens besuchen werde. An meinen Besuch, auf dem meines Erachtens sehr übersichtlichen Müller Martini-Stand, vor vier Jahren zusammen mit ein paar Kommilitonen kann ich mich noch gut erinnern.

Mit seiner unter dem Motto Finishing 4.0 präsentierten, vielseitigen Produktpalette zeigte Müller Martini 2016 genau in die Richtung, in die sich Print bewegt: Individualisierte, personalisierte Printerzeugnisse, die sich vom Markt abheben, sich gezielter an die Leser wenden und damit auch für Anzeigenkunden interessanter werden. Genau so muss Print meiner Ansicht nach sein: Attraktiv, um gegen die elektronischen Medien bestehen zu können. 

Drei Jahre später schloss sich für mich der Müller Martini-Kreis quasi. Denn eine der 2016 in Düsseldorf gezeigten Maschinen, der Klebebinder Vareo, wurde im vergangenen Sommer an der Hochschule der Medien in Stuttgart installiert. Für mich und meine Kommilitonen war dies ein Glücksfall. Im Rahmen eines Semesterprojekts setzten wir uns kritisch mit der Müll-Thematik auseinander und produzierten dazu ein vollvariables, auf einer HP Indigo gedrucktes und auf dem Vareo gefertigtes Softcover-Buch unter dem Titel «fræsh». Auf jeder Seite wechseln sich die Bilder und dazugehörenden Slogans ab. So wurde jedes der 400 Bücher zu einem Unikat – Variable Data Printing in Reinkultur.



Ihre Tina Floder
Studentin der Druck- und Medientechnologie an der Hochschule der Medien in Stuttgart und angehende Bachelor of Engineering