13.10.2020 / Arne Klages

Serie Nachhaltigkeit (II): der Fussabdruck von Print

Im ersten Teil unserer Blog-Trilogie zum Thema Nachhaltigkeit beschäftigten wir uns vor einer Woche mit dem Thema Klimaschutz. Was hat das mit der grafischen Branche zu tun? Immerhin 9 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses entfallen auf die Industrie – wie hoch ist hier der Anteil von Print?

Laut Angaben des World Resources Institutes trägt die Zellstoff-, Papier- und Printindustrie rund 1 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen zum CO2-Austoss bei. Zum Vergleich: Alle digitale Technologien (Netzwerke, Computer, Tablets, Handys) zusammen genommen bewirken in etwa so viel Emissionen wie ganz Deutschland: Rund 4 Prozent der globalen Emissionen entfallen auf unsere digitale Infrastruktur – Tendenz steigend.

Der grösste Anteil am CO2-Fussabdruck von Druckprodukten entfällt auf die Herstellung des Bedruckstoffes. Je nachdem welches Substrat verwendet wird (und wen man fragt), beträgt der Anteil des Bedruckstoffes zwischen 55 Prozent und 80 Prozent.
Dies ist nicht weiter verwunderlich, schliesslich zählt die Papierindustrie mit zu den energieintensivsten Industrien, steckt also zusammen mit der Glas- und Stahlindustrie in einem Topf. Warum das so ist, liegt auf der Hand. Die Produktion braucht viel Wasser, Hitze und mechanische Energie. Da kommt man schon mal ins Schwitzen. Jeder der schon mal in einer Papierfabrik war, weiss, wovon ich rede.

Wie viel CO2 verursacht 1 kg Papier?
Die Firma Heidelberg gibt in ihrem Bericht «Lösungen für einen umweltfreundlichen Druckprozess» an, dass ein Kilogramm Papier in der Produktion rund 1,28 kg CO2 verursacht. Diese Daten beziehen sich auf die Ergebnisse der Datenbank ecoinvent und gelten für gestrichenes Bogenoffset-Papier. 

Der Schweizer Verein Ecopaper, der seine Ergebnisse ebenfalls auf die ecoinvent-Datenbank bezieht, gibt in seinem Papierrechner für ein Kilogramm Frischfaser-Papier einen Wert von 1,10 kg CO2 an. Für Recycling-Papier wird ein Wert von 0,81 kg CO2 angegeben.

Müller Martini kommt auf ähnliche Zahlen. Der Schweizer Maschinenbauer gibt einen Wert von 1,06 kg CO2 für die Produktion eines Kilogramms Frischfaser-Papier an. Dieser Wert stimmt ebenfalls mit den Angaben des Nachhaltigkeitsrechners der Initiative Pro Recyclingpapier überein. Für Recyclingpapier gibt die Initiative einen Wert von 0,886 kg CO2 an.

Die deutsche Bundesregierung gibt den durchschnittlichen CO2-Ausstoss für ein Kilogramm Papier mit 0,609 kg CO2 an. Dabei bezieht sie sich auf Daten des Verbands Deutscher Papierfabriken und gibt an, dass dieser mit den Werten aus dem Emissionshandel übereinstimmen würde.

Grosser Unterschied zwischen den Papierarten
Dieser Wert erscheint allerdings eher unrealistisch und wird sich vermutlich auf die Gesamtheit aller Papierprodukte, also auch auf Kartonagen oder Hygienepapiere, beziehen. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen diesen Werten. Der Fussabdruck variiert nämlich stark zwischen den Papierarten und hängt vom Anteil der Recyclingfasern ab. 

Auch die Herkunft des Rohmaterials beeinflusst den CO2-Fussabdruck stark. Denn der Transportweg trägt entscheidend dazu bei, wie viel Emissionen verursacht werden. Ob der Rohstoff Holz beziehungsweise in vielen Fällen bereits Faserstoff (oder Pulp) tausende von Kilometern transportiert werden muss, verändert den Wert natürlich um einige Grössenordnungen.



Auf die Weiterverarbeitung entfallen rund 13 Prozent 
Druck- und Weiterverarbeitungs-Maschinen haben nur einen geringen Anteil am CO2-Fussabdruck eines Produkts. Speziell die Weiterverarbeitung benötigt als einziges Mittel für die Produktion Energie. Der Stromverbrauch einer Druckerei ist also folglich die zweitgrösste Emissionsquelle. Zweitgrösste heisst hier aber eben 10 bis 20 Prozent der Emissionen.

 

Von diesen 10 bis 20 Prozent entfallen laut Angaben der Umweltdruckerei 37 Prozent auf die Offsetdruckmaschinen, 5 Prozent auf Digitaldruckmaschinen. Auf die Weiterverarbeitung von Produkten durch Schneiden, Falzen und Heften entfallen rund 13 Prozent. Was sicherlich noch mit ins Gewicht fällt, ist der Druckluftverbrauch. Fast jede Maschine in diesem Bereich der Produktion braucht zum Bewegen von pneumatisch angetriebenen Teilen oder vereinzeln von Bogen diese kostspielige Energie. Die Umweltdruckerei gibt an, dass sich der Druckluftanteil auf rund 7 Prozent beläuft.

Was Müller Martini dazu meint
Müller Martini hat zum Thema Energieverbrauch schon vor einiger Zeit interne Untersuchungen angestellt – und kam dabei zu mehreren interessanten Ergebnissen. Der elektrische Energieverbrauch einer Weiterverarbeitungs-Maschine steigt linear mit der Geschwindigkeit der Maschine an. Zusätzlich verbraucht eine Maschine im Laufen nur rund 10 Prozent mehr als im Leerlauf. Das bedeutet also, dass mit zunehmender Produktionsgeschwindigkeit der elektrische Energiebedarf (und damit CO2-Ausstoss) pro Exemplar abnimmt.

Der typische elektrische Energiebedarf, der durch das Weiterverarbeiten von beispielsweise 1000 Produkten in der Sammelheftung hergestellt wird, beträgt dadurch nur ungefähr unter 1 Kilowattstunde.

Zum Thema Druckluftverbrauch: Dieser ist extrem abhängig von den Benutzereinstellungen für Saug- und Blasluft – was, wenn man kurz darüber nachdenkt, auch Sinn ergibt.
Sammelhefter erzeugen übrigens durch die Vereinzelung und das Öffnen der Bogen den grössten Blasluftverbrauch. 

Nimmt man all diese Informationen zusammen, gibt Müller Martini den Anteil des Energiebedarfes der Weiterverarbeitung mit rund 2 bis 3 Prozent für ein Produkt an, was ungefähr mit meinen Ergebnissen übereinstimmt.

Ein paar Rechenbeispiele
Ich habe nun versucht, mit diesen Werten einen groben CO2-Fussabdruck für ein Druckprodukt-Beispiel zu erstellen. Nehmen wir mal ein Softcover-Buch im Format DIN A5. 
Es hat einen Umfang von 402 Seiten und das Papier eine Grammatur von 100 g/m2, während der Umschlag eine Grammatur von 200 g/maufweist.

Nach ein bisschen Dreisatz und Umstellen kommt man dann darauf, dass unsere Beispiel-Broschur rund 630 g wiegt. Gehen wir jetzt davon aus, dass das Papier für den Buchblock dem normalen Papiermix mit Altpapieranteil entspricht und das Cover ein schönes gestrichenes Hochglanzpapier aus Frischfaser ist. Verwenden wir jetzt die oben gegebenen Werte der Initiative Ecopaper und Pro Recyclingpaper, erhalten wir einen Wert für den CO2-Ausstoss des Papiers. Da wir ja bereits etabliert haben, dass die Papierherstellung ungefähr 80 Prozent des Ausstosses bei der Herstellung von Drucksachen ausmacht, können wir also abschätzen, wie viel der Rest beträgt. Am Ende landen wir dann bei einem Wert von ziemlich genau 1 kg CO2 für unser Musterbuch.

Bei der Suche nach Vergleichswerten stolpert man im Internet immer wieder über eine Studie des Freiburger Öko-Instituts. Dieses hat berechnet, dass für die Herstellung eines Buches mit 200 DIN-A-5-Blättern und 135 g/m2, das ausschliesslich aus Frischfaserpapier besteht, rund 1,1 Kilogramm CO2 aufgewendet werden müssen. Passe ich die Werte in meiner Rechnung entsprechend an, komme ich zum selben Ergebnis. Allerdings halte ich eine so hohe Grammatur für ein normales Buch für leicht übertrieben.

Schwankungen wegen unterschiedlicher Umfänge
Eine ähnliche Rechnung findet man auf der Internetseite www.printintelligent.de. Diese kommt auf einen CO2-Ausstoss von 1,36 kg pro Buch, geht aber ebenfalls von leicht anderen Parametern aus. Auch dieses Ergebnis erreiche ich mit den gleichen Konfigurationen für das Buch.

Schon aus diesem kleinen Beispiel ist zu erkennen: Der CO2-Ausstoss schwankt sehr stark mit dem Umfang des Produkts, denn wie wir ja bereits wissen, entfällt der Grossteil auf das Papier. Ausserdem sind dies natürlich nur die produktionsbedingten Emissionen. Glaubt man einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung», entfallen auf den Versand eines Pakets durch das DHL-Zustellsystem etwa 500 g CO2.

Also kommt man auf einen Wert von rund 1,5 kg CO2. Damit liege ich ziemlich genau im Mittel aller Werte, die ich zu diesem Thema finden konnte. Der einzige Abweichler dieser Grössenordnung ist die Babcock School of Business, die rund 10,2 kg CO2-Ausstoss für ein Buch angibt. Hierbei wurde allerdings ein Gewicht von 2,18 kg angenommen, was mir als viel vorkommt. Die weiteren Einzelheiten für diese Rechnung waren leider nicht zu finden, daher kann ich diese Rechnung nicht überprüfen.

Erfahren Sie am kommenden Dienstag im dritten und letzten Teil unserer Blog-Serie zum Thema Nachhaltigkeit, ob die digitalen Alternativen wirklich so grün sind, wie viele denken.



Ihr 
Arne Klages

Arne Klages ist Student an der Hochschule der Medien im deutschen Stuttgart. Er studiert seit 2018 den noch relativ neuen Studiengang Print Media Technologies mit dem Ziel des Bachelor of Engineering. Davor hatte er eine Ausbildung zum Medientechnologen Druck abgeschlossen, in welcher er sein Interesse für alle Themen rund um Print entwickelte.