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Panorama 1/19

Mit einer Auflage von 2,6 Millionen Exemplaren ist die wöchentlich erscheinende «Coopzeitung» die meistgelesene Zeitung der Schweiz. Das Gratisblatt erreicht mit drei Sprachausgaben nahezu die Hälfte der Schweizer Bevölkerung. «Panorama» sprach mit Patrick Wehrli, Verleger der «Coopzeitung», über dieses einmalige Erfolgsmodell.

«Panorama»: Simple Einstiegsfrage – warum gibt die Coop Genossenschaft eine eigene Zeitung heraus?


Patrick Wehrli: Coop bedient in seinen Filialen jeden Tag eine Million Kundinnen und Kunden, und primär an sie richtet sich die «Coopzeitung». Denn es besteht seitens unserer Kundschaft ein grosses Interesse, was Coop macht. Die «Coopzeitung» vermittelt Informationen, Wissen und Werte aus dem Coop-Universum aus erster Hand – und natürlich auch Marketing-Informationen, wie beispielsweise aktuelle Sonderangebote und Produktneuheiten. Wir berichten über das Engagement von Coop – zum Beispiel im Bereich Nachhaltigkeit und wir unterhalten unsere Leser. Wir versuchen also, ein spannendes Magazin zu machen, das den Lesern im Idealfall eine Alltagshilfe gibt und ihnen auch Freude bereitet.

Wie haben sich das Konzept und der Themen-Mix der «Coopzeitung» mit den Jahren verändert?

Wir passen unser Konzept laufend dem sich ändernden Mediennutzungsverhalten an. Bis vor sechs Jahren galt die «Coopzeitung» als klassische Zeitung, heute wird sie als Magazin wahrgenommen. Um dies formal zu betonen, erscheint sie seither geheftet und geschnitten. Inhaltlich ist die «Coopzeitung» sehr konsumorientiert. Wir haben ein klares redaktionelles Profil und bereiten die Inhalte so auf, dass sie möglichst viele Leute erreichen und dem Zeitgeist entsprechen.

Wie hat sich die Auflage in den letzten 20 Jahren entwickelt?

Wir sind einer der wenigen Pressetitel in der Schweiz mit einer stabilen Auflage. Diese liegt seit rund 20 Jahren auf dem heutigen Level und deckt nahezu zwei Drittel aller Schweizer Privathaushalte ab.
Wir erreichen 120 000 junge Leute im Alter von 14 bis 19.
Patrick Wehrli, Verleger der Coopzeitung
Wie gliedert sich Ihre Leserschaft bezüglich Geschlechter und Alter?

Die «Coopzeitung» wird von etwas mehr Frauen (58 Prozent) als Männern gelesen, und wie bei vielen anderen Printmedien ist der Grossteil unserer Leserschaft – über 75 Prozent – älter als 35 Jahre. Aber wir erreichen auch 120 000 junge Leute im Alter von 14 bis 19. Das ist zwar im Vergleich zur gesamten Leserschaft eine marginale Zahl, aber im Vergleich zu einer Tageszeitung ist es eine beachtliche Grösse.

Betrachtet Coop die «Coopzeitung» als eigenes Profitcenter, oder ist sie Bestandteil Ihres Marketingbudgets?

Sie ist ein eigenes Profitcenter.

Wie verteilen sich die Ausgaben auf Druck, Versand und Redaktion?

Wir geben ausser der Auflage grundsätzlich keine Geschäftszahlen bekannt. Der Grossteil unserer Ausgaben geht einerseits ins Produkt selbst (sprich Papier und Druck) und andererseits in die Distribution (sprich Post).

Inwiefern unterscheidet sich die «Coopzeitung» von anderen Kundenmagazinen?

In der Schweiz gibt es in dieser Form nur ein einziges ähnliches Produkt – das ebenfalls wöchentlich erscheinende «Migros Magazin». Grundsätzlich unterscheiden wir uns durch unsere klare Ausrichtung. Wir haben ein sehr klares, konsumorientiertes Profil. Unser Claim lautet: «Die guten Seiten der Schweiz. Lesen, staunen, profitieren.» Deshalb bringen wir in der «Coopzeitung» ausschliesslich positive News. Es gibt weder Politik im Blatt noch Negativnachrichten - wir wollen Freude im und am Alltag vermitteln. Und wir sind natürlich nahe bei Coop und deren Töchter und insofern natürlich auch beim Marketing von Coop, weshalb wir – unserer klaren Linie geschuldet – relativ viele Produktinformationen bieten. Doch genau das erwartet der Leser von der «Coopzeitung».

Sehen Sie die «Coopzeitung» als klassisches Magazin oder auch als «Magalog» für die von Coop verkauften Produkte?

Wir sind dezidiert ein Konsummagazin mit Fokus auf Service und Nutzwert. Insbesondere der Nutzwert ist – neben der Reichweite – für uns extrem wichtig. Deshalb bewegen wir uns thematisch nahe an den Coop-Produkten. Wir können in der «Coopzeitung» nicht über etwas berichten, das man bei Coop nicht kaufen kann. Das würden unsere Leser nicht verstehen.

Wie hoch ist der Anteil an Coop-Eigeninseraten in der «Coopzeitung» – in Relation zur totalen Seitenzahl und zur Fremdwerbung?

Der Inserateanteil liegt bei etwa 45 Prozent. Knapp die Hälfte davon sind Eigeninserate.

Welchen Coop-fremden Inserenten gewähren Sie Zugang zu Ihrem Anzeigenteil?

Zum einen sind es Geschäftspartner, zum andern klassische Drittkunden wie etwa die Reise-, Pharma- und Automobilindustrie, Banken und Versicherungen – Branchen also, die das Kerngeschäft von Coop nicht konkurrenzieren.

Dienen Coop-fremde Inserenten – darunter ein auffallend hoher Anteil an Reiseinseraten – auch zur Entlastung Ihres Budgets oder lediglich als Abwechslung zu den Coop-eigenen Anzeigen?

Zweifellos entlasten diese Inserate unser Budget. Daneben entsprechen sie einem Bedürfnis unserer Leser. So haben sich viele daran gewöhnt, sich in der «Coopzeitung» über Reisen, primär in der Schweiz, aber auch über Fluss- oder Kreuzfahrten zu informieren. Diese Anzeigen würden nicht funktionieren, wenn es kein Leserbedürfnis gäbe.

Neben den klassischen Anzeigen in der Zeitung enthält jede Ausgabe mehrere Beilagen. Wie viele sind es im Schnitt?

Technisch können wir bis zu fünf Beilagen einstecken. Doch ich bitte um Verständnis, dass wir keine Beilagenzahlen nach aussen kommunizieren.

Enthält jede Ausgabe die gleichen Beilagen, oder machen Sie auch Geo-Zoning?

Das hängt von unseren Beilagenkunden ab. Tatsächlich machen wir verstärkt Geo-Zoning – wir nennen das Split-Ausgaben – und stecken deshalb immer häufiger zielgruppenspezifische Beilagen ein. Das ist ein genereller Trend, bei dem uns letztlich auch die Maschinenbauer unterstützen und helfen müssen, damit wir in Zukunft noch individualisiertere Beilagen einstecken können, als das heute möglich ist.

Geht das Geo-Zoning Richtung einzelne Regionen oder gar bis hinunter auf einzelne Quartiere oder Strassenzüge?

Das ist unterschiedlich. Wir können unsere Splits nach Postleitzahlen eingrenzen, oder wir konzentrieren uns beispielsweise mit unserem «Hello Family»-Magazin auf einzelne Segmente wie Familien mit Kindern, die Mitglied des «Hello Family»-Klubs sind.

Welche Bedeutung haben Beilagen für die «Coopzeitung»?

Wir haben praktisch keine Fremdbeilagen, sondern es geht auch hier um Wissensvermittlung aus der Coop-Welt. Sie sind ein wichtiger Treiber für unsere Leser. Ein Teil der Leserschaft liest die «Coopzeitung» nicht primär wegen der redaktionellen Inhalte, sondern wegen der Inserate und Beilagen. Zudem kann gerade in einer attraktiv aufgemachten Beilage mehr auf die unterschiedlichen Produkte und deren Eigenschaften eingegangen werden.

Neben den Genossenschaftern bekommen auch ein grosser Teil Ihrer Kunden, die Ihre Kundenkarte Supercard haben, die «Coopzeitung». Nutzen Sie die aus dem Verkaufsverhalten Ihrer Kunden gewonnenen Daten zu personalisierten Ausgaben Ihrer Zeitung?

Nein, das machen wir nicht. Die technische Infrastruktur in der Weiterverarbeitung liesse es heutzutage auch noch nicht zu.

Diskutieren Sie solche Personalisierungs-Konzepte für die Zukunft?

Wir diskutieren grundsätzlich viel, behalten die Augen offen und beobachten den Markt genau. Gemäss unserem Credo wollen wir Innovationsleader sein. Deshalb haben wir 2014 auch als Erste aus einer klassischen Zeitung ein höherwertiges, geschnittenes und geheftetes Magazin gemacht. Wir versuchen, auf diesem Gebiet den Takt vorzugeben und den anderen einen Schritt voraus zu sein. Denn ein handliches Magazin, das geheftet ist und nicht zerfleddert, hat einen viel höheren Nutzwert als eine klassische Zeitung.

Welche Auswirkungen hätte eine Personalisierung auf den Druckprozess? Oder anders gefragt: Ist Personalisierung bei Zeitungen mit einer Millionenauflage überhaupt realistisch?

Heute nicht. Zudem stellt sich die Frage: Ist eine Personalisierung der «Coopzeitung» für uns überhaupt gewünscht, und wäre sie sinnvoll? Wir möchten, dass die «Coopzeitung» ein Stöber-Medium ist, das man durchblättert. Wir möchten unsere Leser auf Sachen aufmerksam machen, die sie nicht unbedingt gesucht haben, und sie damit überraschen – im Gegensatz zum Internet, wo man explizit nach etwas sucht. Wären wir zu stark personalisiert, ginge dieser Effekt und damit auch unser USP verloren.

Für Sie ist also der Stöber-Effekt wichtiger als ein allfälliger Streuverlust?

Absolut, weil wir immer wieder feststellen, dass jemand auf etwas stösst, das er gar nicht gesucht hat – was oft mit einer positiven Überraschung verbunden ist.
Der Stellenwert der «Coopzeitung» als gedrucktes Medium ist ungebrochen hoch.
Patrick Wehrli, Verleger der Coopzeitung
Studien zufolge gelten gedruckte Werbemittel als aufmerksamkeitsstärker und glaubwürdiger als Newsletter oder andere Formen der Online-Werbung. Welchen Stellenwert messen Sie aus der Optik Ihres Unternehmens gedruckten Produkten im Zeitalter der elektronischen Medien bei?

Es wird immer mehr Kanäle geben, und alle werden wichtig bleiben. Die Werbung wird fragmentierter, und man kann nichts auslassen. Der Stellenwert der «Coopzeitung» als gedrucktes Medium ist allerdings ungebrochen hoch – denn es gibt für Coop kein gleichwertig effizientes Kommunikationsinstrument.

Dann hat sich also der Stellenwert Ihres gedruckten Magazins in den vergangenen Jahren nicht verändert?

Nein, keinesfalls. Aber es kommen natürlich laufend neue Disziplinen hinzu – vor allem für unser Marketing, aber auch für die Unternehmenskommunikation.

Können Sie diese Disziplinen spezifizieren?

Vor vielen Jahren hat Coop mit seinem Coop-Mittwochstudio im Schweizer Fernsehen und mit der «Coopzeitung» über zwei Kanäle die ganze Schweiz informiert. Heute sind wir auf Twitter (vorwiegend für Medienvertreter), Facebook (für die breite Öffentlichkeit), Instagram und im Bereich Employer Branding auf LinkedIn und Xing präsent. Die Kanäle werden immer fragmentierter – und auf vielen sollte man präsent sein.
 
Trotzdem gehen Sie davon aus, dass Print eine bedeutende Rolle spielen wird?

Ja, absolut – als Vertreter der «Coopzeitung» würde ich gar sagen: die wichtigste.

Coop verkauft Produkte ja sowohl stationär als auch online. Richtet sich die «Coopzeitung» an beide Verkaufskanäle, oder soll Ihr Magazin die Leser primär in Ihre Filialen führen?

Die «Coopzeitung» soll unsere Kunden in erster Linie binden, unterhalten und natürlich motivieren, bei Coop oder einem Coop-Unternehmen einzukaufen. Ob das stationär oder online geschieht, ist letztlich egal.

Die «Coopzeitung» gibt es auch als E-Paper auf Ihrer Website. Welchen Stellenwert hat die elektronische Version im Vergleich zu den Leserzahlen der gedruckten Ausgabe?

Wir betrachten das E-Paper als wichtigen Servicekanal – etwa für Auslandschweizer, die keine Möglichkeit haben, die Printausgabe zu abonnieren. Viele nutzen das E-Paper auch als Nachschlagewerk, denn sie finden sämtliche Ausgaben seit 1902 in elektronischer Form. Es gibt bestimmt auch Leute, die statt der gedruckten Ausgabe das E-Paper lesen.

Sie haben auch Online-Wettbewerbe. Sind diese ein grosser Renner?

Ja, Wettbewerbe funktionieren unglaublich gut! Sie sind der Traffic-Generator. Und man kann da auch schön zwischen Print und Online spielen. So ist das Kreuzworträtsel in der «Coopzeitung» unser grösster Web-Traffic-Generator, weil jede Woche rund 80 000 Leser das Lösungswort auf unserer Website eingeben, um einen der fünf Einkaufsgutscheine zu gewinnen. Hinzu kommen Sudoku und andere Gewinnspiele, die wir in der «Coopzeitung» anbieten.

Gehen Sie davon aus, dass dieses Zusammenspiel der verschiedenen Medienkanäle in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen wird?

Text und Bild im Internet 1:1 abzubilden, halte ich für kein tragfähiges Zukunftsmodell – deshalb betrachten wir das E-Paper der «Coopzeitung» eher als Serviceleistung. Aber wir haben viele Rubriken im Magazin, die eine Art Tutorial-Charakter haben, die fast niemand mehr mit einer Zeitung vermittelt, sondern für die beispielsweise YouTube der bessere Kanal ist. Schmink-, Gärtner- oder Heimwerker-Tipps könnte man heute in einem Video zeigen. Auch Ratgeber sind prädestiniert fürs Internet – sprich Live-Chats mit Beratung und Experten. Im Internet wird man zukünftig ergänzende Themen zum Print spielen und nicht einfach bestehende Beiträge übernehmen.

Sie haben neben der «Coopzeitung» und dem «Coop-Pronto-Magazin» auch ein breites Online-Kommunikations-Angebot. Richten Sie sich mit diesem primär an ein jüngeres Publikum?

Ein Kerngedanke unseres Online-Kanals ist zweifellos, dass wir damit noch mehr Jüngere erreichen, aber auch die Kernleserschaft binden. Natürlich ist Online eher ein Thema bei den Jungen. Und wir überlegen uns, wie wir die Jungen noch stärker erreichen können. Allerdings müssen wir dann das richtige Themenfeld wählen, die richtige Sprache sprechen, und es muss richtig aufbereitet sein. Das ist eine grosse Herausforderung.

Stichwort «Coopzeitung»

Gründung: 1902.
Auflage: 2,6 Mio.1
Leser: 3,5 Mio.
Ausgaben pro Jahr: 52
Homepage: www.coopzeitung.ch

11,84 Mio. deutsche, 630 000 französische, 127 000 italienische Ausgabe

Stichwort Coop

Coop ist das grösste Detailhandels- und Grosshandelsunternehmen der Schweiz. Sie ist als Genossenschaft mit rund 2,6 Millionen Mitgliedern organisiert. Unter dem Eigennamen betreibt Coop Supermärkte, Warenhäuser, Restaurants, Baumärkte, Apotheken sowie über die Tochtergesellschaft Coop Mineraloel AG Tankstellen- und Convenience-Shops. Zur Coop-Gruppe gehören ausserdem Interdiscount, Fust, microspot.ch, Bell und Transgourmet. Total hat die Coop-Gruppe 2437 Verkaufsstellen.

Coop wurde 1890 als Verband Schweizerischer Konsumvereine gegründet und 1969 in Coop umbenannt. Sie beschäftigt 86 318 Mitarbeiter und erzielte 2017 einen Umsatz von 29,2 Milliarden Schweizer Franken (24,2 Milliarden Euro).