02.05.2023 / Frank Baier

Grüne Labels rund ums Papier

Immer mehr Druck-Dienstleister setzen auf eine hohe Nachhaltigkeit bei der Druckproduktion. Zertifikate sollen Nachweise zur Ressourcenschonung und Umweltverträglichkeit erbringen. Vor der Validierung stellt sich jedoch die Frage, was man damit tatsächlich erreichen möchte.
 
Heute gibt es diverse Prädikate, Urkunden und Zertifikate im Umweltbereich – hiermit soll nahezu alles zusehends ökologisch verträglicher werden. Grüne Labels, Umweltzeichen verschiedener Urheberschaft, «Blauer Engel» – diese sehr unterschiedlichen Nachweise verfolgen ganz bestimmte Ziele.
 
Bekannteste Zertifikate sind wohl der Umweltmanagement-Standard ISO 14001 und die Umweltbetriebsprüfung der EMAS-Verordnung. Weitere Zertifikate sind für den Nachweis der Herstellung ökologischer Printprodukte sowie der Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Printproduktion relevant. Darauf legt Titus Tauro, Umweltschutz- und Energiemanagement-Beauftragter beim Sächsischen Institut für die Druckindustrie in Leipzig, den eindeutigen Fokus.
 
Zahlreiche «grüne» Zertifikate
Hierzu sind seines Erachtens die Zertifikate «Blauer Engel RAL DE-UZ-195», «EU-Ecolabel»-Produktgruppe 053 für Druckerzeugnisse, Schreibwaren aus Papier und Papiertragetaschen sowie FSC (Forest Stewardship Council) und PEFC (Programs for the Endorsement of Forest Certification Schemes) zu nennen. «Grüne» Bausteine in dieser Relation sind «Klimarechner» und Klimainitiativen der Druck- und Medienverbände in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Darüber hinaus liefert der ProzessStandard Offsetdruck nach ISO 12647 im Zuge der Ressourcenschonung bei passend aufgestellter Printproduktion einen klaren Beweis.
 
Schon seit Jahren erbringt das SID Leipzig Beratungsleistungen zur Vorbereitung auf die Zertifizierung nach Umwelt-, Qualitäts- und Hygienemanagement-Systemen. Aktuell ist die Nachfrage auf das Angebot laut Titus Tauro jedoch sehr gering. «Priorität haben zurzeit wohl eher andere Bereiche. Angesichts der angespannten Marktsituation ist das zunächst einmal verständlich. Andererseits sollte die Umwelt auch in dieser Lage nicht vernachlässigt werden.» Doch bestehe Interesse bei Beratungen zur Vorbereitung auf FSC-Zertifizierungen, wenn Druckereien für Auftraggeber produzieren wollen, die darauf grossen Wert legen.
 
Hoher ökologischer Nutzwert
Aktuell beherrschen die Labels «Blauer Engel DE-UZ 195» für Recyclingpapier-Produkte und Cradle to Cradle für Frischfaserpapier-Produkte die Medien. Hierzu haben jüngst die Initiative Umdex-Print / Umwelt-Index-Druck und der Fachverband Medienproduktion ein Whitepaper erstellt, um bei zertifizierungswilligen Druckereibetrieben und deren Kunden für fachliche Aufklärung zu sorgen.
 
Cradle to Cradle-Zertifizierungen sind ausschliesslich für Produkte möglich. «Den ökologischen Nutzwert einer solchen Zertifizierung schätze ich als hoch ein», erklärt Titus Tauro. «Schliesslich erfolgt mit fünf in deren Rahmen bewerteten Kategorien eine umfassende Beurteilung der Nachhaltigkeit des untersuchten Produktes.» Dabei müssen die Materialverträglichkeit der eingesetzten Inhaltsstoffe, die Kreislauffähigkeit des Produktes im technischen oder biologischen Kreislauf, die Nutzung von erneuerbaren Energien, ein verantwortungsvolles Wassermanagement und die Einhaltung sozialer (Gerechtigkeits-) Standards überprüft werden.
 
Das Cradle-to-Cradle-Prinzip
Einzelne Druck-Dienstleister haben bereits eine Zertifizierung nach Cradle to Cradle erlangt. Angeblich konnte Gugler DruckSinn in Melk (Österreich) im Jahr 2011 erste solche zertifizierten Produkte anbieten – und verfügt heute über ein Cradle-to-Cradle-Gold-Zertifikat. Innerhalb der letzten zehn Jahre wurden nach Guglers Angaben über 40 Materialien nach dem Prinzip zertifiziert – beispielsweise eine aus 100 Prozent Altpapier bestehende Graupappe.
 
Inzwischen kann printmedia solutions in Mannheim und Frankfurt a.M. (Deutschland) derart zertifizierte Produkte offerieren. Das Unternehmen sieht das Cradle to Cradle-Prinzip als «Königsklasse der Nachhaltigkeit» und hat der Zertifizierung eine eigene Website gewidmet. Vögeli aus Langnau im Emmental (Schweiz) verwendet gemäss eigenen Angaben im Druckprozess ausschliesslich Substanzen, die in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden können. Der Druckereibetrieb aus dem Kanton Bern verfügt ebenfalls über ein Cradle to Cradle-Gold-Zertifikat und macht das Prinzip in einer sehr verständlich aufbereiteten Videoanimation deutlich.
 
Unterschiede der Umweltsiegel
Umweltexperte Guido Rochus Schmidt von der Initiative Umdex-Print / Umwelt-Index-Druck erläutert die Zusammenhänge der Umweltsiegel. «Sowohl der ‚Blaue Engel DE-UZ 195‘ als auch das ‚EU Ecolabel 053‘ sind von unabhängigen Gutachtern vergebene Typ I-Umweltzeichen, sie sagen aus, dass Produkte hinsichtlich der betrachteten Umwelteigenschaften qualitativ besser sind als vergleichbare Produkte.» Produkte mit dem «Blauer Engel DE-UZ 195»-Zertifikat werden unter strengsten Nachhaltigkeitskriterien hergestellt und sind frei von ökologisch bedenklichen Inhaltsstoffen.
 
«Und im Gegensatz zum privaten Label Cradle to Cradle, das keine Typ I-Zertifizierung nach ISO 14024 besitzt, geht der ‚Blaue Engel‘ keine Kompromisse ein. Anders als Cradle to Cradle vergibt das Label ‚Blauer Engel‘ keine Zertifizierungsstufen wie Bronze, Silber, Gold oder Platin, um zahlende Lizenznehmer gemäss deren realen betrieblichen Umweltleistungen zu zertifizieren. Vor diesem Hintergrund stellt der ‚Blaue Engel‘ aktuell das transparenteste und daher empfehlenswerteste Umweltzeichen für ökologische Printprodukte dar.»
 
Guido Rochus Schmidt macht noch eins deutlich: «Vergleicht man die Cradle to Cradle-Zertifizierungskriterien mit denen von ‚Blauer Engel DE-UZ 195‘ oder ‚EU Ecolabel 053‘, besitzt ein Cradle to Cradle-Produkt gegenüber einem ‚Blauer Engel‘- oder ‚EU Ecolabel 053‘-Produkt hinsichtlich Materialbeschaffenheit, Produktionsprozess, Produkt-Rezyklierbarkeit, Klimarelevanz, sowie sozialer Verantwortung keinerlei massgebliche ökologische Vorteile.»
 
Ihr
Frank Baier,
Chefredakteur «Bindereport»
 
02.05.2023 Frank Baier Chefredakteur «Bindereport»